Mum@work: Roman
ist im Kindergarten, und auf Max passt unser Kindermann auf.« »Kindermann?« »Ja, Che.«
Die Info war vielleicht nicht unbedingt nötig. »Oh, I see, Che.«
»Und falls ich mal nachts arbeite, dann schlafen sie ja.« Kann man nicht oft genug betonen, dass ich eigentlich rund um die Uhr arbeite.
»Oh. Und du vermisst sie auch nicht zu sehr.« Das muss eine Falle sein. »Nein«, lüge ich.
Natürlich vermisse ich sie, sofort, nach zirka zehn Minuten, wenn die erste Erleichterung über Mareikes Abgang in den Kindergarten und Mäxchens Freude über Ches Eintreffen verflogen ist und ich mich gerade an den PC gesetzt habe.
Trish reibt sich jetzt mit den Zeigefingern unter den Augen entlang. Was ist hier los? War das eine Träne?
»You are so lucky!«
»Wie bitte?«
»Ja, du hast just too much luck! Zwei Kinder, very sweet, and a nice job. Für mich, es ist too late, du verstehst.« Oh, nein, bitte nicht.
Trish wischt weiter unter ihren Augen entlang, um die Mascara trotz Tränen halbwegs in Position zu halten.
»Aber Trish, ich dachte, du bist eine überzeugte Karrierefrau.«
»Yes, I am!« Sie rückt ihren Blazer mit dem fehlenden Knopf zurück und setzt sich gerade hin. »Aber es ist auch just too late.«
Das ist also der Grund für ihren Kreuzzug gegen mein Home-Office. Wer hätte das gedacht?
»Vor acht Jahre, well, da wollte John, you know, er hatte vorgeschlagen, dass wir endlich eine Baby haben sollten.«
Ich reiche Trish ein Taschentuch. Sie fängt an, mir wirklich leidzutun. Aber zum Trost fehlen mir leider die Worte. So schnell kann ich mich von meinem Bild von Trish, der ultraharten Careerwoman, einfach nicht verabschieden.
»Aber damals, ich wollte einfach nicht. Keines Zeit für Kinder, just too much work.«
»Aber, es ist doch noch nicht zu spät.«
»Well, ich bin schon fünfundvierzig, you know?«
Nein, ich dachte vierzig hätte sie das letzte Mal gesagt.
»Ach, das klappt schon noch.«
»Aber, aber ...« Trish kämpft mit den Tränen. »Aber John, er hat mich verlassen. Er hat eines anderes Frau ... und drei Kinder!«
Oje, eine Tränenflut stürzt über ihre Wangen und zieht dicke schwarze Streifen nach sich.
»Beruhige dich, Trish, es gibt doch auch noch andere.«
»No! Gibt es nicht. Du verstehst nothing!«
Das war ja schon wieder fast die alte Trish.
»O sorry. I am just sorry.« Trish versucht jetzt sichtlich, ihre Fassung zurückzuerlangen.
»Kein Problem. Das Bad ist übrigens da drüben, falls du dich ein bisschen frisch machen möchtest.«
Was eine wirklich gute Idee wäre.
»Ja, ja. Thanks. Und bitte, Kässy, das bleibt über uns, ou-kay?« »Unter uns, natürlich.«
41. Kapitel
Als wir ins Wohnzimmer zurückkehren, haben die Kollegen den Fernseher angeschaltet und verfolgen nun die Live-Übertragung von den Demonstrationen in der City. Die Lage ist katastrophal. Die Kameras schwenken zwischen einem vor faulen Eiern und Farbbeuteln völlig verdreckten BetterMedia-Eingangsportal, dem Zeltlager der Demonstranten, ein paar Rangeleien mit der Polizei und dem Protestzug - oder eher den Protestzügen - hin und her. Die von unserem Praktikanten gekauften Demonstranten stehen hinter der Polizeiabsperrung und beschimpfen die Anhänger der Software Slaves und der Telearbeiter-Gewerkschaft. Die Situation droht zu eskalieren, erste Steine fliegen zwischen den verfeindeten Lagern hin und her.
Ich wollte keinen Bürgerkrieg anzetteln, ehrlich nicht.
»Erstaunlich jung« seien die Demonstranten, die sich für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf einsetzen, so der Kommentar des Reporters. Kein Wunder, das sind alles Studenten - die käuflichen eben. Die idealistischen protestieren auf der Seite der Software Slaves. Irgendwo am Rand steht Praktikant Friedberg, wie immer im Dreiteiler, und betrachtet mit einer gewissen Genugtuung sein Werk.
»Der ist von uns«, sage ich im Reflex, sprich: nicht wirklich überlegt.
Randolph sieht mich fragend an.
»Nun, die Demonstranten sind ja für die Work-Life-Balance, für Kinder und Karriere, sprich für >MAMA.Com< und >Mum@Work<. Von den Sklaven und den Telefonisten redet dann niemand mehr. Das war eine Idee eines meiner Mitarbeiter. Das sind gemietete Demonstranten. Ab morgen werden wir mit unseren Produkten in aller Munde sein.«
»You're kidding?«
»Nein, das ist kein Witz.«
Oh-oh, kam wohl nicht so gut an.
»Perfect, Caity, just perfect.«
Katharina mein Name, aber macht jetzt nichts.
Jetzt erscheint Hilke Vogt im
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