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Mummenschanz

Mummenschanz

Titel: Mummenschanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Stummel der Kerzen, mit denen er sich in finsteren Kellergewölben den Weg erleuchtete.
    Er arbeitete schon so lange mit Ratten, daß er selbst rattenartig wirkte. Sein Gesicht sah aus wie eine nach hinten reichende Erweiterung der Nase, unter der ein borstiger Schnurrbart wuchs. Seine vorderen Zähne standen vor. Wer ihn beobachtete, hielt unwillkürlich nach einem Schwanz Ausschau.
    »Was ist denn, Frau Plinge?«
    »Wie kannst du auf der Bühne pfeifen? Das bringt schreckliches Unglück!«
    »Oh, ich pfeife wegen des Glücks, Frau Plinge. O ja! Wenn du wüßtest, was ich weiß, wärst du ein glücklicher Mann. Nun, eine glückliche Frau, weil du ja eine Frau ist. Ah! Erstaunliche Dinge habe ich gesehen, Frau Plinge…«
    »Hast du etwa Gold im Keller gefunden, Herr Pfundler?«
    Frau Plinge bückte sich und kratzte an einem Farbfleck.
    Herr Pfundler griff nach seinem Beutel und setzte den Weg fort.
    »Es könnte Gold sein, Frau Plinge. O ja, es könnte tatsächlich Gold sein…«
    Frau Plinge brauchte einige Sekunden, um ihre arthritischen Knie dazu zu überreden, aufzustehen.
    »Wie bitte, Herr Pfundler?« erwiderte sie.
    Irgendwo in der Ferne erklang ein dumpfes Pochen, als ein Sandsack auf dem Boden landete.
    Die Bühne war groß und leer, abgesehen von einem Sack, in dem etwas mit großer Entschlossenheit versuchte, in die Freiheit zurückzukehren.
    Frau Plinge drehte den Kopf langsam von einer Seite zur anderen.
    »Herr Pfundler? Bist du noch hier?«
    Sie hatte plötzlich das Gefühl, daß die Bühne noch größer und leerer wurde.
    »Herr Pfundler? Haaaalloooooo?«
    Sie sah sich um.
    »Herr Pfundler?«
    Etwas schwebte herab und landete neben Frau Plinge.
    Es war ein zerbeulter schwarzer Hut mit Kerzenstummeln auf der Krempe.
    Sie blickte nach oben.
    »Herr Pfundler?«
     
    Herr Pfundler war an die Dunkelheit gewöhnt und fürchtete sich nicht vor ihr. Außerdem wies er immer wieder voller Stolz darauf hin, wie gut er selbst in der Finsternis sehen konnte. Wenn es auch nur ein wenig Licht gab, ein mattes Glühen vielleicht, das vage Glimmen von phosphoreszierenden Schimmelpilzen, konnte er sich in der Schwärze orientieren. Der Hut mit den Kerzen diente eigentlich nur dazu, die Leute zu beeindrucken.
    Der Hut… Er glaubte zunächst, ihn verloren zu haben, doch jetzt ruhte er wieder auf seinem Kopf. Ja, tatsächlich. Nachdenklich rieb sich Herr Pfundler den Hals. Es gab da eine wichtige Sache, an die er sich besser erinnern sollte…
    Diese Dunkelheit war sehr dunkel.
    QUIEK?
    Er sah auf.
    Mitten in der Luft schwebte in Augenhöhe eine Gestalt, die etwa fünfzehn Zentimeter groß war und einen weiten schwarzen Umhang trug. Eine knöcherne Schnauze mit grauen Schnurrhaaren ragte unter der Kapuze hervor. Dünne Knochenfinger hielten den Griff einer Miniatursense.
    Herr Pfundler nickte nachdenklich. Man wurde nicht Mitglied des Inneren Kreises der Rattenfängergilde, ohne das eine oder andere Gerücht zu hören. Ratten hatten einen eigenen Tod, hieß es, so wie sie auch eigene Könige, Parlamente und Nationen hatten, verborgen für die Menschen.
    Bis jetzt.
    Herr Pfundler fühlte sich geehrt. Während der vergangenen fünf Jahre hatte er in jedem Jahr den Goldenen Knüppel für die meisten gefangenen Ratten gewonnen. Doch er respektierte die Nager, so wie Soldaten einen besonders schlauen und tapferen Feind respektierten.
    »Äh… ich bin tot, nicht wahr?«
    QUIEK?
    Herr Pfundler glaubte sich von vielen Augen beobachtet. Von vielen kleinen, glänzenden Augen.
    »Und… was geschieht nun?«
    QUIEK?
    Herr Pfundler sah auf seine Hände hinab, die länger und haariger wurden. Er fühlte, wie seine Ohren wuchsen. Eine weitere Verlängerung, die recht peinlicher Natur war, betraf den unteren Teil seines Rückens. Er hatte sein ganzes Leben mit beharrlichem Suchen an dunklen Orten verbracht, aber…
    »Aber ich glaube gar nicht an die Reinkarnation!« protestierte er.
    QUIEK?
    Herr Pfundler wußte genau, was dieses Wort in der Rattensprache bedeutete: Die Reinkarnation glaubt an dich.
     
    Herr Eimer ging vorsichtig seine Post durch und atmete auf, als der Stapel keinen Brief mit dem Wappen des Opernhauses enthielt.
    Er lehnte sich zurück und zog die Schublade des Schreibtischs auf, um ihr einen Stift zu entnehmen.
    Ein Umschlag lag darin.
    Er starrte darauf hinab und streckte langsam die Hand nach dem Brieföffner aus.
    Aufschneiden. Ssssssst.
    Raschel. Raschel.
     

     
    »Herr Salzella! Herr Salzella !«
    Emil Eimer

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