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Mummenschanz

Mummenschanz

Titel: Mummenschanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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schob den Stuhl zurück, eilte zur Tür, öffnete sie – und stand einer Ballerina gegenüber, die sofort schrie.
    Aufgrund seiner recht angespannten Nerven schrie Eimer ebenfalls und erreichte dadurch etwas, das sich normalerweise nur mit einem nassen Lappen oder einer gut gezielten Ohrfeige bewerkstelligen ließ. Die junge Frau verstummte und bedachte ihn mit einem beleidigten Blick.
    »Er hat erneut zugeschlagen, nicht wahr?« stöhnte Eimer.
    »Er ist hier! Es ist der Geist!« sagte die Ballerina und sprach damit den vorbereiteten Text, obwohl die Umstände es nicht erforderten.
    »Ja, ja, ich glaube, ich weiß Bescheid«, erwiderte Eimer. »Ich hoffe nur, es ist nichts Teures.«
    Auf halbem Weg durch den Flur blieb er stehen und drehte sich um. Die junge Frau wich vor seinem Zeigefinger zurück.
    »Steh wenigstens auf den Zehenspitzen!« rief er. »Wahrscheinlich hast du mich einen Dollar gekostet, nur weil du hierhergelaufen bist!«
    Dutzende von Personen standen dicht zusammengedrängt auf der Bühne. In der Mitte des Kreises stand das neue Mädchen, die Dicke. Sie versuchte, eine ältere Frau zu beruhigen, die zum Personal des Opernhauses gehörte und ebenso integraler Bestandteil des Gebäudes zu sein schien wie die Ratten im Keller und die Wasserspeier auf dem Dach.
    Sie hielt etwas in ihren zitternden Händen. »Es fiel aus den Soffitten«, brachte sie hervor. »Der Hut des armen Mannes!«
    Eimer sah nach oben. Als sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnten, bemerkte er zwischen den Latten eine Gestalt, die sich langsam drehte…
    »Meine Güte«, sagte er. »Und ich dachte, er hätte einen netten Brief geschrieben…«
    »Tatsächlich?« Salzella näherte sich. »Lies den hier.«
    »Muß ich?«
    »Er ist an dich adressiert.«
    Eimer entfaltete das Blatt Papier.
     

     
    Er warf Salzella einen schmerzerfüllten Blick zu. »Wer ist der arme Bursche da oben?«
    »Herr Pfundler, der Rattenfänger. Ein Seil hat sich um seinen Hals geschlungen, und das andere Ende war mit einigen Sandsäcken verbunden. Die Säcke sanken auf die Bühne, und Herr Pfundler… stieg auf.«
    »Ich verstehe das nicht! Ist hier ein Verrückter am Werk?« Salzella legte Eimer den Arm um die Schultern und führte ihn fort von den anderen. »Nun…«, begann er so freundlich wie möglich. »Denke an jemanden, der die ganze Zeit einen Abendanzug trägt, in den Schatten lauert und gelegentlich Leute umbringt. Er schickt kurze Mitteilungen und schreibt irres Lachen. Mir ist aufgefallen, daß er auch in diesem Fall fünf Ausrufezeichen gebraucht hat. Wir müssen uns fragen: Verhält sich so eine geistig gesunde Person?«
    »Aber warum tut er so etwas?« jammerte Eimer.
    »Eine solche Frage hätte nur dann einen Sinn, wenn der Unbekannte noch alle Tassen im Schrank hat«, erwiderte Salzella ruhig. »Vielleicht mordet der Operngeist, weil es ihm kleine gelbe Kobolde einflüstern.«
    »Ein Wahnsinniger…«, murmelte Eimer. »Du hattest recht. Die Atmosphäre in diesem Haus läßt jeden überschnappen. Vielleicht bin ich hier der einzige, der mit beiden Beinen fest auf dem Boden steht!« Er drehte sich um und kniff die Augen zusammen, als er einige nervös miteinander flüsternde Chorsängerinnen sah.
    »Ihr Mädchen!« rief er. »Steht nicht einfach so herum! Springt umher! Auf einem Bein!«
    Er wandte sich wieder an Salzella. »Wo war ich stehengeblieben?«
    »Du hast gerade gesagt, daß du hier vielleicht der einzige bist, der mit beiden Beinen fest auf dem Boden steht«, entgegnete Salzella. »Im Gegensatz zu den Ballettänzerinnen dort… und zur Leiche von Herrn Pfundler.«
    »Ich halte diesen Hinweis für ziemlich geschmacklos«, kommentierte Eimer kühl.
    »Meiner Ansicht nach sollten wir das Opernhaus schließen«, sagte der Musikdirektor. »Anschließend trommeln wir alle einsatzfähigen Männer zusammen, rüsten sie mit Fackeln aus und durchsuchen das Gebäude vom Dach bis zum Keller. Wir stöbern den Kerl auf, jagen ihn durch die Stadt, schnappen ihn, hauen ihn zu Brei und werfen seine Reste in den Fluß. Nur so läßt sich sicherstellen, daß sich… Zwischenfälle dieser Art nicht wiederholen.«
    »Wir können es uns nicht leisten, die Oper zu schließen«, gab Eimer zu bedenken. »In jeder Woche nehmen wir einige tausend Dollar ein, aber wir geben auch einige tausend Dollar aus. Ich habe keine Ahnung, wohin das Geld verschwindet. Ich dachte, es würde genügen, auf den einen oder anderen Hintern zu klopfen, um hier alles auf

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