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Mummenschanz

Mummenschanz

Titel: Mummenschanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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der Dinge gezogen, dorthin, wo Verschiedenes aneinanderstieß. Sie wurden von Türen angelockt, von Umfangen, Grenzen, Toren, Spiegeln, Masken…
    … und Bühnen.
     
    Das Frühstück fand in der Mensa des Opernhauses statt, und zwar um halb zehn. Schauspieler galten nicht als Frühaufsteher.
    Agnes sank nach vorn und schüttelte die Benommenheit gerade rechtzeitig genug ab, um ihr Gesicht vor einer Kollision mit Eiern und Schinken zu bewahren.
    » Guten Morgen!!«
    Christine nahm Platz mit einem Tablett, dessen Teller eine Stange Sellerie, eine Rosine und etwa einen Teelöffel Milch präsentierte. Sie beugte sich zu Agnes vor, und Besorgnis huschte über ihr Gesicht. »Fühlst du dich nicht gut?! Du bist so blaß!!«
    Agnes hätte fast geschnarcht.
    »Mit mir ist alles in Ordnung«, sagte sie. »Bin nur ein wenig müde…«
    »Oh, gut!!« Der jüngste Wortwechsel hatte Christines geistiges Potential so sehr beansprucht, daß sie wieder auf Automatik umschaltete. »Gefällt dir mein neues Kleid?!« fragte sie aufgeregt. »Ist es nicht reizvoll ?!«
    Agnes betrachtete es. »Ja«, antwortete sie. »Reizvoll, ja. Sehr… weiß. Mit viel Spitze. Betont die Figur.«
    »Und weißt du was?!«
    »Nein. Was denn?«
    »Ich habe bereits einen geheimen Verehrer!! Ist das nicht wundervoll ?! Alle großen Sängerinnen haben einen geheimen Verehrer!!«
    »Einen geheimen Verehrer…«
    »Ja!! Dieses Kleid wurde am Bühneneingang für mich abgegeben! Ist das nicht aufregend?!«
    »Erstaunlich«, sagte Agnes. »Und du hast noch nicht einmal gesungen. Äh… von wem kommt es?«
    »Er hat natürlich nicht seinen Namen genannt!! Schließlich muß es ein geheimer Verehrer sein!! Wahrscheinlich will er mir Blumen schicken und Sekt aus meinem Schuh trinken!!«
    »Im Ernst?« Agnes verzog das Gesicht. » Das tun geheime Verehrer?«
    »So will es die Tradition!!«
    Christine quoll geradezu über vor Fröhlichkeit und versuchte, sie mit Agnes zu teilen. »Du siehst so müde aus!!« Sie hob eine Hand zum Mund. »Oh!! Wir haben das Zimmer getauscht, nicht wahr?! Ich bin ja so dumm gewesen!!« Zu echter Tücke war Christine nicht fähig, höchstens zu halb leerer Schläue. Damit fügte sie nun hinzu: »Ich könnte schwören, daß ich in der Nacht jemanden singen gehört habe. Jemanden, der Tonleitern übte.«
    Aufgrund ihrer Erziehung neigte Agnes dazu, immer die Wahrheit zu sagen. Sie wußte, daß ihre Antwort lauten sollte: »Es tut mir leid, offenbar habe ich durch ein Versehen dein Leben bekommen. Es scheint ein wenig Verwirrung zu herrschen…«
    Sie war auch dazu erzogen worden, gehorsam zu sein, alles Egoistische abzulehnen, ältere Leute zu respektieren und kein schlimmeres Schimpfwort als »verflixt« zu benutzen.
    Sie sah nun die Chance, sich eine interessantere Zukunft zu leihen. Nur für eine Nacht oder auch zwei. Sie konnte jederzeit zu ihrem eigenen Leben zurückkehren.
    »Na, das ist komisch«, sagte sie. »Ich habe direkt nebenan geschlafen, und mir ist überhaupt nichts aufgefallen.«
    »Ach?! Dann ist ja alles in Ordnung!!«
    Agnes starrte auf Christines Tablett. »Mehr ißt du nicht zum Frühstück?«
    »O nein!! Ich darf mich nicht aufblähen wie ein Ballon!! Du hast es gut und kannst alles essen!! Und vergiß nicht, die Proben beginnen in einer halben Stunde!!«
    Christine eilte fort.
    Ihr Kopf steckt voller Luft, dachte Agnes. Bestimmt wollte sie mich nicht beleidigen.
    Doch tief in ihr flüsterte Perdita X Trehm ein schlimmes Wort.
     
    Frau Plinge nahm ihren Besen aus dem Schrank und drehte sich um.
    »Walter!«
    Ihre Stimme hallte über die leere Bühne.
    »Walter?«
    Sie trommelte mit den Fingern verärgert auf den Besenstiel. Walter hatte eine Routine. Jahre waren nötig gewesen, sie ihm beizubringen. Es sah ihm einfach nicht ähnlich, nicht zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.
    Frau Plinge schüttelte den Kopf und begann mit der Arbeit. Sie wußte schon jetzt, daß sich diesmal der Einsatz des Mops nicht vermeiden ließ. Bestimmt dauerte es eine halbe Ewigkeit, den Terpentingeruch zu vertreiben.
    Jemand wanderte über die Bühne und pfiff dabei leise vor sich hin.
    Frau Plinge war schockiert.
    »Herr Pfundler!«
    Der offizielle Rattenfänger des Opernhauses blieb stehen und ließ einen Beutel sinken, der in ständiger Bewegung war. Herr Pfundler trug einen alten Klappzylinder, um zu zeigen, daß er eine Stufe über gewöhnlichen Rattenfängern stand. Auf der breiten Krempe klebten dicke Wachsreste und die

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