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Mummenschanz

Mummenschanz

Titel: Mummenschanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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zu sein. Was den dritten Punkt betraf: Wer Oma Wetterwachs’ Zorn erregte, dem erging es wie Blütenblättern bei einem besonders strengen Frost.
    Die leere Stelle mußte irgendwie besetzt werden. In Lancre gab es mehrere junge Frauen im richtigen Alter.
    Doch das wußten auch die jungen Männer von Lancre. Im Sommer wanderte Nanny Ogg regelmäßig zwischen den Getreidefeldern, mit scharfen, mitfühlenden Augen und einem Gehör, das auch noch Geräusche jenseits des Horizonts registrierte. Daher wußte sie, daß Violett Frottich mit dem jungen Dietrich Fuhrmann ging – oder sich auf eine Weise mit ihm beschäftigte, die bis auf neunzig Grad ans Gehen herankam. Bonnie Quark hatte im Mai Nüsse mit Ernst Einfach gesammelt und verdankte es vor allem Nannys nützlichem Rat, daß sie im Februar keine Früchte trug. Außerdem dauerte es jetzt nicht mehr lange, bis die Mutter der jungen Mildred Kesselflicker mit Mildred Kesselflickers Vater reden mußte, der dann mit seinem Freund Dachdecker sprechen würde, damit der seinen Sohn Hob zur Rede stellte, mit dem Ergebnis, daß eine Hochzeit stattfand, auf eine zivilisierte und kultivierte Art und Weise, wenn man von einigen blauen Augen absah. { * } Nannys Blick reichte in die Erinnerungsferne, und ein wissendes Lächeln umspielte ihre Lippen. Kein Zweifel: Die Unschuld eines warmen Sommers in Lancre war genau die richtige Voraussetzung dafür, die Unschuld zu verlieren.
    Dann rückte ein Name in den Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit. O ja. Sie. Warum hatte sie nicht gleich an sie gedacht? Eigentlich kein Wunder. Wer an die jungen Frauen von Lancre dachte, verschwendete kaum einen Gedanken an sie. Und wenn sie einem schließlich einfiel, so hieß es: »Oh, natürlich. Und sie. Hat einen wundervollen Charakter. Und hübsches Haar.«
    Sie war intelligent und talentiert. Ihre Stimme drückte Macht aus, die nach einer Möglichkeit suchte, sich zu manifestieren. Und natürlich hatte sie einen wundervollen Charakter. Das verringerte die Wahrscheinlichkeit dafür, daß sie… ungeeignet war.
    Damit geriet die Lösung des Problems in Reichweite. Eine andere Hexe, die schikaniert und beeindruckt werden konnte, verbesserte Omas Moral gewiß erheblich. Und Agnes würde ihr letztendlich dankbar dafür sein.
    Nanny Ogg atmete erleichtert auf. Man brauchte mindestens drei Hexen für einen ordentlichen Hexenzirkel. Zwei bedeuteten nur Streit.
    Sie öffnete die Tür ihrer Hütte und ging die Treppe zum Schlafzimmer hinauf.
    Der Kater Greebo lag wie ein grauer Pelzhaufen auf dem Bett. Er schlummerte weiter, als Nanny ihn hochhob, um, inzwischen in ein Nachthemd gekleidet, unter die Decke zu schlüpfen.
    Um böse Träume von sich fernzuhalten, nahm sie einen kräftigen Schluck aus einer Flasche, die nach Äpfeln und fröhlichem Hirntod roch. Dann klopfte sie das Kissen weich, dachte Sie… ja und schlief ein.
    Kurz darauf erwachte Greebo, streckte sich, gähnte und sprang lautlos vom Bett. Er war ein besonders schlauer und heimtückischer grauer Pelzhaufen – einmal hatte er völlig reglos vor einem Vogelhaus gesessen, das Maul geöffnet und mit einem Stück Brot als Köder auf der Nase.
    Kurze Zeit später hob der junge Hahn nebenan den Kopf, um den Morgen mit einem energischen »Kikeriki!« zu begrüßen. Er kam nur bis zur ersten Silbe.
     
    Vor Agnes erstreckte sich breite, tiefe Dunkelheit; gleichzeitig strahlte ihr helles Licht entgegen, das sie halb blendete. Direkt vor der Bühne schwammen flache Kerzen in einem mit Wasser gefüllten Trog und erzeugten ein intensives gelbes Schimmern, das sich völlig von dem Glühen gewöhnlicher Öllampen unterschied. Jenseits des Glanzes wartete der Zuschauerraum wie der Rachen eines sehr großen und sehr hungrigen Ungeheuers.
    Irgendwo in der Finsternis erklang eine Stimme. »Wenn du soweit bist…«
    Es war keine besonders unfreundliche Stimme. Sie wollte nur, daß Agnes ihr Stück vortrug und dann ging.
    »Ich… äh… kenne da ein Lied, das… äh…«
    »Hast du die Notenblätter Frau Stolzig gegeben?«
    »Nun… äh…, eigentlich gibt es gar keine musikalische Begleitung…«
    »Oh, es ist ein Volkslied, stimmt’s?«
    Es flüsterte in der Dunkelheit, und jemand lachte leise.
    »Na schön. Du kannst anfangen… Perdita, nicht wahr?«
    Agnes stimmte das Igel-Lied an und wußte etwa beim siebten Wort, daß sie die falsche Wahl getroffen hatte. Für derartige Lieder brauchte man eine Taverne mit Leuten, die grölten und ihre Krüge auf die

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