Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mummenschanz

Mummenschanz

Titel: Mummenschanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
etwas zu fressen wollte.
    Eine Treppe führte nach unten. Nanny Ogg nahm die Stufen und erreichte einen Flur, der etwas besser beleuchtet war und ziemlich lang zu sein schien.
    Dann brauchte sie sich nur noch von den Schreien leiten zu lassen.
    Sie gelangte in den Bereich hinter den Kulissen.
    Leute eilten umher und riefen etwas. Andere rührten sich nicht von der Stelle und schrien. Eine dicke Frau lag auf zwei Stühlen, während ein geistesabwesender Bühnenarbeiter ihr mit einem Manuskript Luft zufächelte.
    Nanny Ogg wußte nicht, ob etwas Wichtiges geschehen war oder ob die Oper mit anderen Mitteln fortgesetzt wurde.
    »An deiner Stelle würde ich ihr das Korsett öffnen«, sagte sie im Vorbeigehen.
    »Meine Güte, die Panik ist auch so schon groß genug!«
    Nanny näherte sich einer interessanten Gruppe aus Zigeunern, Adligen und Bühnenarbeitern.
    Hexen sind per definitionem neugierig und von Natur aus wißbegierig. Nanny gesellte sich der Gruppe hinzu.
    »Laßt mich durch, ich möchte sehen, was hier passiert ist«, sagte sie und setzte beide Ellenbogen ein, was wie üblich funktionierte.
    Ein Toter lag auf dem Boden. Nanny hatte den Tod in vielfacher Form gesehen und erkannte Würgemale auf den ersten Blick. Es war sicher nicht sehr angenehm, erdrosselt zu werden, aber man konnte sich damit trösten, auf recht farbige Weise aus dem Leben zu scheiden.
    »Meine Güte«, sagte Nanny. »Armer Mann. Was ist mit ihm geschehen?«
    »Herr Eimer meint, er hätte sich in den Seilen verheddert«, antwortete jemand.
    »Er hat sich in nichts verheddert!« widersprach jemand anders. »Der Geist steckt dahinter! Vielleicht lauert er noch immer dort oben!«
    Alle sahen zur Decke.
    »Herr Salzella hat einige Bühnenarbeiter beauftragt, ihn aufzustöbern.«
    »Sind die Leute mit lodernden Fackeln ausgerüstet?« fragte Nanny.
    Einige Zigeuner musterten sie, als sähen sie Nanny jetzt zum erstenmal.
    »Was?«
    »Man braucht lodernde Fackeln, um böse Geister aufzuscheuchen«, sagte Nanny Ogg. »Das ist allgemein bekannt.«
    Es folgten einige stille Sekunden, in denen die Zuhörer darüber nachdachten.
    »Das stimmt.«
    »He, sie hat recht!«
    »Es ist tatsächlich allgemein bekannt.«
    »Sind die Leute mit lodernden Fackeln aufgebrochen?«
    »Nein, ich glaube nicht. Nur mit gewöhnlichen Laternen.«
    »Oh, die nützen nichts«, meinte Nanny. »Gewöhnliche Laternen benutzt man bei Schmugglern. Böse Geister erfordern…«
    »Wenn ich um eure Aufmerksamkeit bitten darf…«
    Der Inspizient stand auf einer Kiste. Er wirkte ein wenig blaß.
    »Nun«, sagte er, »bestimmt seid ihr alle mit dem Ausdruck ›Die Show muß weitergehen‹ vertraut…«
    Die Chorsänger stöhnten einstimmig.
    »Es ist sehr schwer, ein fröhliches Lied über Igel zu singen, wenn man jederzeit damit rechnen muß, daß ein… Zwischenfall passiert!« rief ein Zigeunerkönig.
    »Äh… da wir gerade von Igeln sprechen, ich kenne da ein Lied…« Nanny unterbrach sich, als sie merkte, daß ihr niemand zuhörte.
    »Wir wissen doch gar nicht, was tatsächlich passiert ist…«
    »Ach?« erwiderte ein Zigeuner. »Sollen wir raten?«
    »… derzeit werden die Soffitten durchsucht…«
    »Um weiteren Zwischenfällen vorzubeugen?«
    »… und Herr Eimer hat mich befugt, euch für heute abend einen Bonus von zwei Dollar zu versprechen, für euer tapferes Verständnis dafür, daß die Show weitergehen muß …«
    »Geld? Nach einem solchen Schock? Geld? Glaubt er etwa, daß wir für zwei Dollar auf die Bühne des Unheils zurückkehren?«
    »Er sollte sich was schämen!«
    »Wie herzlos von ihm!«
    »Unfaßbar!«
    »Es müßten mindestens vier sein!«
    »Finde ich auch!«
    »Welch eine Schande, Freunde! Über ein paar Dollar zu streiten, während hier ein Toter liegt… Habt ihr denn überhaupt keinen Respekt vor seinem Andenken?«
    »Genau! Einige Dollar sind respektlos! Fünf Dollar oder gar nichts!«
    Nanny Ogg nickte sich selbst zu, ging fort und suchte nach einem Tuch, das groß genug war, um Dr. Unterschaft zu bedecken.
    Die Welt des Theaters gefiel Nanny. Sie zeichnete sich durch eine besondere Art von Magie aus. Das mochte auch der Grund sein, warum Esme sie ablehnte. Es war die Magie der Illusionen, Täuschung und Irreführung. Nanny erhob keine Einwände dagegen, denn man konnte nicht dreimal heiraten, ohne die Wirklichkeit ein wenig zurechtzubiegen. Aber sie ähnelte zu sehr Omas eigener Magie und weckte deshalb Unbehagen in ihr. Oma Wetterwachs fühlte

Weitere Kostenlose Bücher