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Mummenschanz

Mummenschanz

Titel: Mummenschanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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schränkte die königlichen Aktivitäten für mehrere Wochen ein.
    Diese Erfahrung hatte zu Ansichten und Einstellungen geführt, die zwar nicht so klar und definitiv sein mochten wie politische Meinungen, jedoch typisch »oggisch« waren. Außerdem erweckte Frau Plinge den Eindruck, daß sie nicht viel zu essen und auch wenig Schlaf bekam. Nanny erinnerte sich an ihre dünnen und roten Hände. Für die Plinges auf der Welt hatte sie jede Menge Anteilnahme übrig.
    Paßte Sherry zu Portwein? Nun, ein Versuch konnte sicher nicht schaden…
    Inzwischen bimmelten alle Glocken. Vermutlich wegen der Pause.
    Nanny öffnete ein Glas mit Cocktailzwiebeln und probierte einige.
    Weitere Türen öffneten sich. Noch mehr Personen sahen in den Flur und verlangten zornig ihre bestellten Getränke. Nanny Ogg trat in aller Seelenruhe zum Regal mit den Sektflaschen und wählte zwei besonders große. Nach ordentlichem Schütteln stopfte sie sich beide unter den Arm, die Daumen am Korken. Dann verließ sie die Nische.
    Nannys Lebensphilosophie bestand darin, sich von etwas inspirieren zu lassen, das sie zum gegebenen Zeitpunkt für eine gute Idee hielt. Anders ausgedrückt: Man mußte tun, was man für richtig hielt – und zwar voller Entschlossenheit.
     
    Die Vorhänge glitten zu. Die Zuschauer standen noch immer und applaudierten weiter.
    »Was passiert jetzt?« wandte sich Agnes an einen als Zigeuner verkleideten Kollegen.
    Er nahm das Halstuch ab. »Nun, normalerweise gehen wir fort und… O nein, die Hauptdarsteller werden auf die Bühne zurückgerufen.«
    Der Vorhang ging wieder auf. Licht glänzte auf Christine herab, die knickste und glitzerte.
    Der Zigeuner beugte sich zu Agnes vor. »Sieh dir nur Dame Timpani an«, sagte er leise. »Sie ist ziemlich sauer.«
    Agnes sah zur Primadonna.
    »Sie lächelt«, stellte sie fest.
    »Auch ein Tiger lächelt.«
    Der Vorhang schloß sich wieder mit einer Endgültigkeit, die folgende Botschaft des Inspizienten vermittelte: Er würde jeden anschreien und verfluchen, der es wagte, noch einmal die Seile anzurühren…
    Agnes eilte mit den anderen fort. Im nächsten Akt gab es nicht viel zu tun. Sie war zuvor bemüht gewesen, sich den Plot einzuprägen – obwohl ihr andere Chorsänger davon abgeraten und darauf hingewiesen hatten, daß man entweder singen oder versuchen konnte, die Handlung zu verstehen. Beides schien nicht möglich zu sein.
    Doch Agnes hielt an ihrer Gewissenhaftigkeit fest.
    »Peccadillo (Tenor), Sohn des Herzogs Tagliatella (Baß), hat sich insgeheim als Schweinehirt verkleidet, um Quizella zu umwerben, wobei er nicht weiß, daß Doktor Bufola (Bariton) das Elixier dem Diener Ludi verkauft hat, ohne zu ahnen, daß dieser in Wirklichkeit die Magd Jod (Sopran) ist, die sich als Junge verkleidet hat, weil Graf Artaud (Bariton) behauptet, daß…«
    Einer der stellvertretenden Inspizienten zog Agnes aus dem Weg und winkte jemandem hinter den Kulissen zu.
    »Weg mit der Landschaftsszene, Ron.«
    Irgendwo pfiff jemand, und weiter oben ertönte ein Antwortsignal.
    Der Hintergrund stieg auf. Von oben sanken die Sandsäcke des Gegengewichts herunter.
    »… und dann weist Artaud darauf hin, daß… äh… Zibeline Fideli heiraten muß, ich meine Fiabe, ohne zu wissen, daß das Familienvermögen…«
    Die Sandsäcke kamen herunter. Zumindest auf einer Seite der Bühne. Auf der anderen erklangen Schreie und unterbrachen Agnes in ihrem zunehmend verwirrender klingenden Vortrag. Sie drehte sich um und sah den mit dem Kopf nach unten hängenden Leichnam Dr. Unterschafts.
     
    Nanny huschte durch eine Tür, schloß sie und lehnte sich dagegen. Kurze Zeit später hasteten Schritte vorbei.
    Nun, das hatte Spaß gemacht.
    Sie nahm Häubchen und Schürze ab und steckte sie ein mit der Absicht, sie Frau Plinge zurückzugeben – in ihrem Wesen gab es eine elementare Ehrlichkeit. Anschließend holte sie ein flaches, rundes Objekt hervor und schlug es mehrmals gegen ihren Arm. Eine lange Spitze klappte heraus. Nanny knetete hier und zupfte dort, bis der offizielle Hexenhut fast so gut wie neu war.
    Sie sah sich um. Die Abwesenheit von Licht und Teppichen sowie die deutliche Präsenz von Staub gaben Anlaß zu der Vermutung, daß sich keine Zuschauer in diesen Teil des Gebäudes verirrten.
    Mist. Sie sollte besser eine andere Tür suchen. Es bedeutete, daß sie Greebo zurücklassen mußte, wo auch immer er sich jetzt befand, aber bestimmt kehrte er irgendwie zurück. Spätestens dann, wenn er

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