Mummenschanz
Nachricht, in der er sich entschuldigte, oder er legte Schokolade unter den Sessel… Ich meine, so etwas schadet doch niemandem, oder…?«
»Putz dir noch mal die Nase«, schlug Nanny vor.
»Und jetzt sterben die Leute plötzlich wie die Fliegen, und man gibt ihm die Schuld, aber ich weiß, daß er keiner Fliege was zuleide tun kann… «
»Natürlich nicht«, sagte Nanny in tröstendem Tonfall.
»Die Leute haben oft zur Loge emporgesehen. Ja, sie fühlten sich immer besser, wenn sie wußten, daß er dort saß… Und dann wurde der arme Herr Pfundler erwürgt. Ich drehte mich um und sah seinen Hut, einfach so…«
»Es ist furchtbar, wenn so etwas passiert«, meinte Nanny Ogg. »Wie heißt du?«
»Frau Plinge«, sagte Frau Plinge. »Der Hut schwebte direkt vor mir zu Boden. Ich hätte ihn überall wiedererkannt.«
»Ich glaube, wir sollten dich besser nach Hause bringen, Frau Plinge«, ließ sich Oma vernehmen.
»Oh, das geht nicht! Ich muß all die Damen und Herren bedienen! Und außerdem ist es viel zu gefährlich, so spätabends allein nach Hause zu gehen… Normalerweise begleitet mich Walter heim, aber heute bleibt er länger hier… Oh, oh…«
»Vielleicht solltest du dich noch einmal schneuzen«, sagte Nanny. »Such dir eine Stelle, die noch halbwegs trocken ist.«
Etwas ratterte. Oma Wetterwachs hatte die Hände gefaltet und die Arme gestreckt und ließ die Fingerknöchel knacken.
»Zu gefährlich, wie?« brummte sie. »Nun, du mußt dich ganz offensichtlich ausruhen. Ich bringe dich nach Hause, und Frau Ogg erledigt hier alles.«
»Aber man erwartet mich in den Logen… Ich muß Getränke servieren… Könnte schwören, daß ich sie eben noch hatte…«
»Mit Getränken kennt sich Frau Ogg bestens aus«, sagte Oma und warf ihrer Freundin einen strengen Blick zu.
»Getränke haben für mich überhaupt keine Geheimnisse«, pflichtete Nanny ihr bei und leerte schamlos das letzte Glas. »Das gilt insbesondere für diese hier.«
»Und was ist mit unserem Walter? Er wird vor Sorge ganz außer sich sein…«
»Walter ist dein Sohn?« fragte Oma. »Trägt er ein Barett?«
Die Frau nickte.
»Ich komme immer zurück, um ihn abzuholen, wenn er länger arbeitet«, sagte Frau Plinge.
»Du kommst zurück, um ihn abzuholen«, stellte Oma Wetterwachs fest. »Und er bringt dich nach Hause?«
»Es… er… er…« Frau Plinge versuchte, sich zu fassen. »Er ist ein guter Junge«, sagte sie trotzig.
»Das ist er bestimmt, Frau Plinge«, erwiderte Oma.
Vorsichtig hob sie die kleine weiße Haube von Frau Plinges Kopf und reichte sie Nanny, die das Ding sofort aufsetzte und auch die weiße Schürze entgegennahm. Mit schwarzen Klamotten konnte man praktisch alles sein. Mutter Oberin oder gnädige Frau – es war eine Frage des Stils. Es kam nur auf die Einzelheiten an.
Es klickte – in Loge acht hatte jemand den Riegel vorgeschoben. Leises Kratzen verriet, daß ein Stuhl unter den Türgriff geklemmt wurde.
Oma lächelte und griff nach Frau Plinges Arm. »Ich bin so schnell wie möglich zurück.«
Nanny nickte und sah ihnen nach.
Am Ende des Flurs gab es eine kleine Nische, in der Nanny Ogg folgendes entdeckte: einen Stuhl, Frau Plinges Strickzeug sowie eine kleine, aber sehr gut ausgestattete Bar. Außerdem eine glänzende Mahagonifläche mit mehreren Glocken, die an großen Sprungfedern befestigt waren.
Einige von ihnen tanzten zornig hin und her.
Nanny schenkte sich einen Gin mit etwas Gin und einem Schuß Gin ein und betrachtete interessiert die verschiedenen Flaschen.
Eine weitere Glocke bimmelte.
Ein großes Glas enthielt Oliven. Nanny nahm eine Handvoll und blies den Staub von einer Flasche Portwein.
Eine Glocke löste sich von ihrer Sprungfeder.
Irgendwo im Flur öffnete sich eine Tür, und die Stimme eines verärgerten jungen Mannes erklang: »Wo bleiben die Getränke, Frau!«
Nanny probierte den Portwein.
Sie wußte natürlich, worin die Tätigkeit von Hausmädchen bestand. Als junge Frau hatte sie einmal entsprechende Pflichten im Schloß Lancre wahrgenommen, wo der König nicht zögerte, Sonderwünsche auf recht deutliche Weise zu äußern. Gytha Ogg hatte damals bereits ihre Unschuld verloren { * } , doch von unwillkommenen Einladungen hielt sie nicht viel. Als ihr der König in der Spülküche entgegensprang, beging sie gewissermaßen Hochverrat, indem sie mit beiden Händen eine große Lammkeule schwang. Das beendete Gythas Existenz als Angehörige des Hauspersonals und
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