Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mummenschanz

Mummenschanz

Titel: Mummenschanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
den Kopf hoben und in Richtung der Soffitten sahen.
    Nanny mochte Musik. Wenn Musik die Nahrung der Liebe war, so war sie jederzeit für eine Sonate mit Kartoffelchips zu haben.
    Doch an diesem Abend hatten Melodien und Gesang den Glanz verloren.
    Nanny Ogg schüttelte den Kopf.
    Eine Gestalt trat durch die Schatten hinter ihr und streckte die Hand aus. Sie drehte sich um und sah ein vertrautes Gesicht.
    »Oh, hallo, Esme. Wie bist du hereingekommen?«
    »Du hast noch immer die Karten, also mußte ich mit dem Mann an der Tür reden. In ein oder zwei Minuten ist wieder alles in Ordnung mit ihm. Was ist hier geschehen?«
    »Nun… der Herzog hat ein langes Lied gesungen, in dem er darauf hinwies, daß er jetzt gehen muß, und dann sang der Graf ein Lied darüber, wie schön es im Frühling ist, und dann sank eine Leiche von der Decke herab.«
    »So was passiert oft in einer Oper, nicht wahr?«
    »Das glaube ich nicht.«
    »Ah. Ich habe bemerkt, daß man beim Theater nur lange genug hinsehen muß, um zu beobachten, wie sich ein Toter bewegt.«
    »In diesem Fall müßtest du ziemlich lange warten. Der Tote ist wirklich tot. Wurde erdrosselt. Jemand ermordet Opernleute. Ich habe mit den Ballettmädchen gesprochen.«
    »Tatsächlich?«
    »Sie glauben, der Geist steckt dahinter.«
    »Hmm. Trägt einen schwarzen Anzug und eine weiße Maske?«
    »Woher weißt du das?«
    Oma lächelte selbstgefällig.
    »Ich kann mir gar nicht vorstellen, wem daran gelegen sein könnte, Opernleute umzubringen…« Nanny dachte an Dame Timpanis Gesichtsausdruck. »Abgesehen vielleicht von anderen Opernleuten. Und von den Musikern. Und von einigen Zuschauern.«
    »Ich glaube nicht an Geister«, verkündete Oma mit fester Stimme.
    »Ach, Esme! Du weißt doch, daß es bei mir zu Hause ein ganzes Dutzend von ihnen gibt!«
    »Oh, ich glaube an Geister «, erwiderte Oma Wetterwachs. »An traurige Geschöpfe, die an einen Ort gebunden sind und immerzu jammern… Aber ich glaube nicht daran, daß sie Schwerter benutzen und jemanden umbringen.« Sie trat ein wenig zur Seite. »Hier gibt es bereits zu viele Geister.«
    Nanny verzichtete auf eine Antwort. Man schwieg besser, wenn Oma lauschte, ohne dabei die Ohren zu gebrauchen.
    »Gytha?«
    »Ja, Esme?«
    »Was bedeutet ›Bella Donna‹?«
    »Das ist ein besserer Name für ›Tollkirsche‹, Esme.«
    »Dachte ich mir. Ha! Unerhört!«
    »Aber bei der Oper bedeutet es schöne Frau .«
    »Im Ernst? Oh.« Oma hob die Hand zu ihrem eisenharten Haarknoten. »Welche Torheit!«
    Wie Musik hatte er sich bewegt, wie jemand, der zu einem Rhythmus im Innern seines Kopfes tanzte. Und für einen Augenblick hatte sein Gesicht im Mondschein wie der Schädel eines Engels gewirkt…
     
    Das Duett bekam erneut einen Beifallssturm.
    Agnes wich in den Chor zurück. Für den Rest des Akts gab es für sie kaum noch etwas zu tun. Sie brauchte nur ein wenig zu tanzen – in ihrem Fall genügte es, sich einigermaßen rhythmisch zu bewegen –, zusammen mit den anderen Choristen während des Zigeunerfests, bei dem der Herzog ein Lied darüber sang, wie herrlich die Landschaft im Sommer war. Während der ganzen Zeit hielt er mindestens einen Arm über den Kopf gestreckt.
    Immer wieder sah Agnes zu den Kulissen.
    Wenn Nanny Ogg zugegen war, dann konnte Oma Wetterwachs nicht weit sein. Sie bedauerte nun, daß sie Briefe nach Hause geschrieben hatte. Nun… sie würde sich nicht zurückbringen lassen, auf keinen Fall…
     
    Die Oper ging zu Ende, ohne daß noch jemand sterben mußte, abgesehen von einigen Darstellern, die jedoch nach kurzer Zeit wieder zum Leben erwachten. Nur einmal entstand Unruhe, als ein Chorsänger fast von einem Sandsack erschlagen wurde. Einer der Bühnenarbeiter, die oben in den Soffitten hockten und unliebsame Zwischenfälle verhindern sollten, hatte das Ding versehentlich heruntergestoßen.
    Zum Schluß gab es noch mehr Applaus. Der größte Teil davon galt Christine.
    Und dann schloß sich der Vorhang.
    Und ging noch mehrmals auf und wieder zu, als Christine auf die Bühne zurückkehrte und sich verbeugte.
    Agnes glaubte, daß sie sich einmal mehr verneigte, als es der Beifall erforderte. Perdita, die durch ihre Augen sah, bestätigte das.
    Und dann glitt der Vorhang endgültig zu.
    Das Publikum kehrte heim.
    In den Kulissen und Soffitten verständigten sich die Bühnenarbeiter mit ihrem besonderen Pfeifcode. Teile einer fiktiven Welt verschwanden in der Dunkelheit unter der Decke. Jemand wanderte umher

Weitere Kostenlose Bücher