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Mummenschanz

Mummenschanz

Titel: Mummenschanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Gigli hätte niemand mehr so viel Applaus bekommen!! Wahrscheinlich kann ich vor lauter Aufregung gar nicht schlafen !!«
    »Hier, trink die warme Milch«, sagte Agnes. »Es hat eine Ewigkeit gedauert, den Topf die vielen Treppen hochzutragen.«
    Sie stellte den Becher auf das Nachtschränkchen, doch Christine schenkte ihm keine Beachtung.
    »Und die Blumen!! Unmittelbar nach der Vorstellung trafen die ersten ein, meinte Herr Eimer!! Außerdem meinte er…«
    Jemand klopfte leise an die Tür.
    Christine rückte ihr Nachthemd zurecht. »Herein!!«
    Die Tür öffnete sich, und Walter Plinge wankte ins Zimmer. Er trug einen ganzen Berg aus Blumensträußen.
    Nach einigen Schritten stolperte er über die eigenen Füße, taumelte und ließ die Sträuße fallen. Er warf den beiden jungen Frauen einen verlegenen Blick zu, drehte sich abrupt um und stieß gegen die Tür.
    Christine kicherte.
    »Entschuldige Ma… Fräulein«, sagte Walter.
    »Danke, Walter«, entgegnete Agnes.
    Die Tür schloß sich.
    »Ist er nicht seltsam?! Hast du bemerkt, wie er mich anstarrt?! Könntest du Wasser für die Blumen holen, Perdita?!«
    »Natürlich, Christine. Es sind ja nur sieben Etagen.«
    »Dafür trinke ich die warme Milch, die du mir besorgt hast!! Enthält sie besondere Gewürze?!«
    »Oh, ja«, sagte Agnes. »Gewürze.«
    »Es ist doch kein Hexentrank, oder?!«
    »Äh… nein«, erwiderte Agnes. Immerhin gebrauchte man in Lancre frische Kräuter. »Äh… ich bezweifle, daß es genug Vasen für all diese Blumen gibt. Nicht einmal die Mulde würde genügen.«
    »Die was?!«
    »Die… äh… Mulde. Ich meine das Bett. Bei mir kann die Matratze noch so hart sein – es wird immer eine Mulde daraus.«
    »Oh, du bist ja so komisch !!«
    »Wie dem auch sei: Es gibt nicht genug Vasen.« Agnes errötete. Hinter ihren Augen war Perdita bereit, einen Mord zu begehen.
    »Dann sorg dafür, daß zunächst die von den Grafen und Rittern Wasser bekommen!« sagte Christine. »Um den Rest kümmere ich mich morgen!« Sie griff nach dem Becher.
    Agnes nahm den Kessel und ging zur Tür.
    »Perdita?!« fragte Christine, den Becher auf halbem Weg zu ihren Lippen.
    Agnes drehte sich um.
    »Ich glaube, du hast heute abend ein bißchen laut gesungen, Teuerste! Es muß den Leuten recht schwergefallen sein, mich zu hören!«
    »Tut mir leid, Christine«, sagte Agnes.
    Sie ging im Dunkeln die lange Treppe hinunter. Diesmal brannte bei jedem zweiten Absatz eine Kerze. Ohne die kleinen Flammen wäre es im Treppenhaus nur finster gewesen. Mit ihnen lauerten Schatten an jeder Ecke.
    Sie erreichte die Pumpe in dem kleinen Alkoven beim Büro des Inspizienten.
    Auf der Bühne begann jemand zu singen.
    Es war Peccadillos Rolle des Duetts, das vor drei Stunden gesungen worden war. Diesmal ertönte keine Musik. Die Tenorstimme war so rein und wundervoll, daß Agnes den Kessel fallen ließ. Kaltes Wasser floß ihr über die Füße.
    Sie lauschte eine Zeitlang. Nach einer Weile stellte sie überrascht fest, daß sie leise den Sopranteil des Duetts sang.
    Das Lied endete. Leises, dumpfes Pochen deutete darauf hin, daß sich Schritte entfernten.
    Agnes eilte zur Bühnentür, zögerte dort, öffnete sie und betrat weite, finstere Leere. Es brannten noch einige Kerzen, aber sie wirkten wie Sterne in einer dunklen Nacht. Weit und breit war niemand zu sehen.
    Mitten auf der Bühne blieb Agnes stehen und hielt unwillkürlich den Atem an.
    Sie fühlte den Zuschauersaal. Der große, leere Raum verursachte ein Geräusch wie von schnarchendem Samt.
    Es war nicht still. Auf einer Bühne ist es nie völlig still. Die Echos von Millionen Tönen flüsterten: Erinnerungen an donnernden Applaus, Ouvertüren und Arien, Fragmente von Melodien, verlorene Akkorde, Bruchstücke von Liedern.
    Agnes wich zurück – und trat jemandem auf den Fuß.
    Sie drehte sich um. »André, du…«
    Eine Gestalt kauerte sich zusammen. »Entschuldige Fräulein!«
    Agnes ließ den angehaltenen Atem entweichen. »Walter?«
    »Entschuldige Fräulein!«
    »Schon gut! Ich bin nur erschrocken.«
    »Ich habe dich nicht gesehen Fräulein!«
    Walter hielt etwas, das Agnes in der Dunkelheit zunächst nicht erkennen konnte. Dann stellte sie erstaunt fest, daß eine Katze, einem zusammengerollten alten Läufer gleich, in den Armen des jungen Mannes ruhte und zufrieden schnurrte. Der Anblick war seltsam. Als würde man beobachten, wie jemand seine Hand in einen Fleischwolf schob, um herauszufinden, was ihn

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