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Mummenschanz

Mummenschanz

Titel: Mummenschanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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sich ihr Schädel bestens für die Arbeit in einem niedrigen Bergwerksschacht eignete.
    Benommen starrte sie auf die Flasche. »Jahr der beleidigten Ziege«, murmelte sie. »Ein guter Jahrgang.«
    Dann gewann das Bewußtsein wieder die Oberhand.
    Ein Lächeln wuchs in ihrem Gesicht, als sie losgaloppierte und die Verfolgung aufnahm. An Frau Plinges Stelle hätte sie sich ebenso verhalten, allerdings fester zugeschlagen.
     
    Agnes wartete mit den anderen darauf, daß sich der Vorhang hob. Sie gehörte zu etwa fünfzig Bürgern, die zuhörten, während Enrico Basilica von seinem Erfolg als Meister der Verkleidung sang. Wichtig während dieser Phase der Oper war, daß der Chor zwar den Schilderungen der Handlung zuhörte, doch danach an akutem Gedächtnisschwund litt, damit spätere Demaskierungen überraschen konnten.
    Aus irgendeinem Grund trugen die meisten »Bürger« Hüte mit sehr breiten Krempen. Wer nicht in der Lage gewesen war, sich einen zu beschaffen, blickte immer wieder besorgt nach oben.
    Hinter dem Vorhang begann Herr Trubelmacher mit der Ouvertüre.
    Enrico legte den Hühnerknochen, an dem er geknabbert hatte, auf ein Tablett und nickte. Der wartende Bühnenarbeiter setzte sich in Bewegung.
    Die Oper begann.
     
    Frau Plinge erreichte das Ende der großen Treppe und hielt sich schnaufend am Geländer fest.
    Die Oper hatte begonnen. Niemand war in der Nähe. Kein Geräusch deutete darauf hin, daß sie verfolgt wurde.
    Sie richtete sich auf und versuchte, wieder zu Atem zu kommen.
    »Hallihallo, Frau Plinge!«
    Nanny Ogg hielt die Sektflasche wie eine Keule und erreichte ziemlich schnell die erste Kurve des Geländers. Sie beugte sich geschickt zur Seite, wahrte das Gleichgewicht, erreichte die Gerade und neigte sich erneut zur Seite, als vor ihr die nächste Kurve auftauchte…
    Und dann erschien die große vergoldete Statue am Ende der Treppe. Die Tücke aller Geländer, die des Herunterrutschens wert sind, besteht darin, daß an ihrem Ende etwas Scheußliches lauert. Doch Nanny Ogg reagierte sofort. Sie schwang ein Bein herum und stieß sich genau im richtigen Augenblick ab. Die Nägel ihrer Stiefel kratzten Furchen in den Marmor, als sie sich drehte und vor der Alten zum Stehen kam.
    Frau Plinge wurde hochgehoben und in die Schatten hinter einer anderen Statue getragen.
    »Du solltest nicht noch einmal versuchen, vor mir wegzulaufen, Frau Plinge«, flüsterte Nanny, als sie Walters Mutter die Hand auf den Mund preßte. »Sei jetzt ganz still. Und halt mich bloß nicht für nett. Nett bin ich nur im Vergleich zu Esme, und das ist praktisch jeder…«
    »Mmf!«
    Mit der einen Hand hielt Nanny Frau Plinges Arm fest, die andere blieb auf ihrem Mund, als sie hinter der Statue hervorspähte. In der Ferne ertönte Gesang.
    Nichts geschah. Nach einer Weile keimte Besorgnis in ihr. Vielleicht fürchtete sich der junge Mann. Vielleicht hatte ihm Frau Plinge irgendein Signal übermittelt. Vielleicht glaubte er, daß die Welt derzeit zu gefährlich war für Geister, obwohl Nanny bezweifelte, daß er jemals zu einem solchen Schluß gelangen würde.
    Wenn nicht bald was passierte, ging der erste Akt vorbei, ohne daß…
    Irgendwo öffnete sich eine Tür. Eine schlaksige Gestalt – sie trug einen schwarzen Anzug und ein absurd wirkendes Barett – durchquerte das Foyer und ging die Treppe hoch. Oben wandte sie sich in Richtung der Logen und verschwand.
    »Weißt du…« Nanny versuchte, die Steifheit aus ihren Gliedern zu vertreiben. »Eigentlich ist Esme dumm…«
    »Mmf?«
    »Bei der Frage, wie ein Geist die Loge betritt und wieder verläßt, denkt sie zuerst an die Tür. Wenn man vergeblich nach einem geheimen Zugang sucht, dann gibt es ihrer Meinung nach keinen. Nun, ein geheimer Zugang, der gar nicht existiert, ist der beste geheime Zugang, den man sich denken kann – weil ihn niemand findet. In dieser Hinsicht denkt ihr viel zu opernhaft. Ihr verbringt zuviel Zeit hier drin und beschäftigt euch mit dummen Aktivitäten, und das wirkt sich auf euer Denken aus. Die Leute finden keine geheime Tür, deshalb sagen sie: Meine Güte, wie geheim muß diese geheime Tür sein. Normale Personen wie Esme und ich würden sagen: Vielleicht gibt es gar keine. Und die beste Möglichkeit für den Geist, sich unbemerkt zu bewegen, ist die, gesehen zu werden, ohne daß man ihm Aufmerksamkeit schenkt. Das gilt besonders dann, wenn er Schlüssel hat. Auf Walter achtet niemand. Alle sehen einfach woanders hin.«
    Nanny lockerte

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