Mummenschanz
»Militärischer Schnickschnack«, behauptete er. »Ein modisches Assässoa. Wir sind vornehme Herren und haben überhaupt nichts mit der Stadtwache zu tun.«
»Nun, möchten die vornehmen Herren etwas Wein?«
»Wir keinen Alkohol trinken dürfen, solange wir sind im Dienst«, sagte der Troll.
»Oh, ja, herzlichen Dank«, erwiderte Nobby bitter. »Das ist wirklich sehr inkognito! Warum holst du nicht den Schlagstock hervor, damit ihn jeder sehen kann?«
»Wenn du das hältst für richtig…«
»Weg mit dem Ding!«
Die Augenbrauen des Grafen de Tritus neigten sich einander entgegen, als er nachzudenken versuchte. »Das Ironie gewesen ist, nicht wahr? Einem Vorgesetzten gegenüber?«
»Du kannst gar nicht mein Vorgesetzter sein, weil wir überhaupt keine Wächter sind. Hör mal, Kommandeur Mumm hat es dreimal erklärt…«
Nanny Ogg ging taktvoll fort. Es war schon schlimm genug zu sehen, wie aus den beiden Grafen Wächter wurden; sie wollte nicht dabei zusehen, wie sie sich selbst zum Narren machten.
Dies war eine neue Welt für Nanny. In ihrem Universum trugen Männer bunte Kleidung, und die Frauen begnügten sich mit Schwarz. Dadurch fiel es einem wesentlich leichter zu entscheiden, was man morgens anziehen sollte. Doch im Innern des Opernhauses kehrten sich die Bekleidungsregeln um, ebenso die Gebote der Vernunft. Hier präsentierten sich die Frauen wie eisgekühlte Pfauen, während die Männer wie Pinguine aussahen.
Es waren also Wächter zugegen. Im Grunde zählte Nanny Ogg zu den gesetzestreuen Bürgern, solange sie keinen Grund sah, gegen das Gesetz zu verstoßen. Polizisten und Ordnungshütern begegnete sie mit der für sie typischen Einstellung: mit tiefem Mißtrauen.
Zum Beispiel Diebstahl. Nanny sah Diebstahl aus dem Blickwinkel der Hexe, der weitaus komplexer war als die entsprechende Perspektive von Wächtern oder von Leuten, die stehlenswerte Dinge besaßen. Wächter neigten dazu, die große, stumpfe Axt des Gesetzes zu schwingen, wenn die Umstände das kleine, scharfe Skalpell des gesunden Menschenverstands verlangten.
Nein, fand Nanny. Tolpatschige Polizisten wurden an einem solchen Abend nicht gebraucht. Es war sicher eine gute Idee, einen Reißnagel unter den schwerfälligen Fuß vermeintlicher Gerechtigkeit zu legen.
Sie duckte sich hinter eine vergoldete Statue und tastete zwischen ihren Unterröcken, während sich die Leute in der Nähe verwundert umsahen, als sie sirrende Gummibänder hörten. Wo steckte das Fläschchen? Nanny war sicher, eins mitgenommen zu haben…
Irgendwo klackte etwas. Ah, ja.
Wenige Sekunden später kam Nanny Ogg wieder zum Vorschein, mit zwei kleinen Gläsern auf ihrem Tablett. Sie näherte sich den Wächtern.
»Ein Obstgetränk für die Herren Wächter?« fragte sie. »Oh, wie dumm von mir, was sage ich da? Ihr seid ja Grafen. Nun, wie wär’s mit einem hausgemachten Obstsaft?«
Detritus schnupperte, und sofort wurde seine verstopfte Nase frei. »Was da drin ist?« fragte er.
»Äpfel«, antwortete Nanny. »Nun… hauptsächlich Äpfel.«
Unter ihrer Hand fraßen sich einige vergossene Tropfen durch das Metall des Tabletts und fielen auf den Teppich. Es dampfte.
Ein insektenartiges Summen erfüllte den Zuschauersaal, als Hunderte von Personen mehr oder weniger leise miteinander sprachen und Platz nahmen. Frau Gesetzlich suchte nach ihren Schuhen.
»Du hättest sie nicht ausziehen sollen, Mutter.«
»Die Füße haben mich geplagt.«
»Hast du die Stricksachen mitgebracht?«
»Muß sie auf der Toilette vergessen haben.«
»Oh, Mutter .«
Henry Gesetzlich markierte die Stelle im Buch, sah zur Decke hoch – und blinzelte. Direkt über ihm, weit oben, sah er einen Ring aus Licht.
Seine Mutter hob ebenfalls den Blick. »Was ist das?«
»Ein Kronleuchter, glaube ich.«
»Scheint ziemlich groß zu sein. Was hält ihn oben?«
»Vermutlich einige spezielle Seile, Mutter.«
»Meiner Ansicht nach sieht’s gefährlich aus.«
»Ich bin davon überzeugt, daß es absolut sicher ist, Mutter.«
»Was weißt du von Kronleuchtern?«
»Bestimmt gingen keine Leute in die Oper, wenn sie damit rechnen müßten, daß ihnen ein Kronleuchter auf den Kopf fällt, Mutter«, sagte Henry und versuchte, die Lektüre fortzusetzen.
Il Truccatore. Meister der Verkleidung.
Il Truccatore (Tenor), ein geheimnisvoller Adliger, verursacht einen Skandal in der Stadt, indem er hochgeborenen Damen, als ihre Gatten verkleidet, den Hof macht. Doch Laura (Sopran), die neue
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