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Mummenschanz

Mummenschanz

Titel: Mummenschanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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ihren Griff ein wenig. »Ich gebe dir keine Schuld, Frau Plinge. Ich würde wie du versuchen, einem meiner Söhne zu helfen. Aber du hättest Esme gleich zu Anfang vertrauen sollen. Sie wird dir helfen, wenn sie kann.«
    Nanny Ogg ließ Frau Plinge los, hielt jedoch vorsichtshalber die Sektflasche bereit.
    »Und wenn sie nicht helfen kann?« fragte Frau Plinge bitter.
    »Glaubst du, daß Walter die Leute umgebracht hat?«
    »Er ist ein guter Junge?«
    »Das dürfte ›nein‹ bedeuten, oder?«
    »Vielleicht steckt man ihn ins Gefängnis!«
    »Das wird Esme bestimmt nicht zulassen«, erwiderte Nanny.
    Etwas kroch in Frau Plinges nicht sehr wachsames Bewußtsein. »Was soll das heißen, sie wird es nicht zulassen?«
    »Ich meine, wenn Oma Wetterwachs ein Machtwort spricht, dann hat sie… äh… ein Machtwort gesprochen.«
    »Oh, Frau Ogg…«
    »Sei unbesorgt«, sagte Nanny – der Hinweis kam recht spät, wenn man die Umstände berücksichtigte. Ihr fiel ein, daß die unmittelbare Zukunft für alle Beteiligten etwas weniger problematisch war, wenn Frau Plinge ihre wohlverdiente Ruhe bekam. Sie griff unter ihr Kleid und holte eine kleine Flasche hervor, die zur Hälfte mit trüber, orangefarbener Flüssigkeit gefüllt war. »Hier, trink einen Schluck. Es beruhigt die Nerven…«
    »Was ist das?«
    »Eine Art Tonikum«, entgegnete Nanny. Sie löste mit dem Daumen den Korken, und an der Decke über ihr blätterte etwas Farbe ab. »Wird aus Äpfeln hergestellt. Hauptsächlich…«
     
    Walter Plinge blieb vor Loge acht stehen und sah sich um.
    Er nahm das Barett, verstaute es in der Tasche und setzte die Maske auf.
    Er straffte die Gestalt – mit der Maske schien Walter ein ganzes Stück größer zu sein.
    Er holte einen Schlüssel hervor und schloß die Tür auf. Als er die Loge betrat, bewegte er sich nicht mehr wie Walter Plinge: Alle seine Nerven und Muskeln standen unter voller athletischer Kontrolle.
    Die Geräusche der Oper strömten ihm entgegen. Roter Plüsch bedeckte die Wände, teilweise hinter schweren Gardinen verborgen. Die Stühle hatten hohe Rückenlehnen und dicke Polster.
    Der Geist ließ sich auf einen davon sinken.
    Auf einem anderen Stuhl beugte sich jemand vor. »Meine Fischeier bekommsst du nicht!«
    Der Geist sprang auf. Hinter ihm klickte das Schloß der Tür.
    Oma trat an den Gardinen vorbei.
    »Tja, so sieht man sich wieder«, sagte sie.
    Die Gestalt wich zum Rand der Loge zurück.
    »Du solltest besser nicht springen«, meinte Oma. »Es geht ziemlich tief hinunter.« Sie richtete einen besonders durchdringenden Blick auf die weiße Maske. »Und nun, Herr Phantom…«
    Der Geist sprang auf die Brüstung der Loge, verbeugte sich vor Oma und hechtete nach oben.
    Oma Wetterwachs blinzelte.
    Bisher hatte niemand ihrem besonders durchdringenden Blick standhalten können…
    »Hier ist es zu dunkel«, brummte sie. »Greebo!«
    Der Napf mit Kaviar flog aus nervösen Fingern und bescherte jemandem im Parkett eine überraschende Fischerfahrung.
    »Ja, Oh-ma!«
    »Fang ihn! Wenn du ihn schnappst, bekommst du einen Räucherhering zur Belohnung!«
    Greebo knurrte fröhlich. Das gefiel ihm schon besser. Die Oper hatte den Reiz für ihn verloren, als er begriff, daß niemand einen Eimer mit kaltem Wasser über den Sängern ausschütten würde. Dinge zu verfolgen… damit kannte er sich aus.
     
    Agnes sah die Bewegung aus den Augenwinkeln. Jemand sprang aus einer der Logen und kletterte zum Balkon hinauf. Eine andere Gestalt folgte ihm und schob sich mit sicherer Eleganz an vergoldeten Cherubinen vorbei.
    Die Sänger verstummten plötzlich. Es konnte kein Zweifel daran bestehen, um wen es sich bei der ersten Gestalt handelte.
    Um den Geist.
     
    Der Bibliothekar hörte, wie das Orchester aufhörte zu spielen. Irgendwo jenseits des Bühnenhintergrunds hielten die Sänger inne. Aufgeregte Stimmen murmelten, und zwei Schreie erklangen.
    Das Fell des Bibliothekars prickelte. In ihm erwachten gewisse Instinkte, die normalerweise dazu dienten, das Überleben der Spezies in einem dichten Regenwald zu gewährleisten. Sie hatten sich inzwischen an das Leben in einer Großstadt gewöhnt – eigentlich bestand der Unterschied nur darin, daß es in Ankh-Morpork mehr Fleischfresser und weniger Regen gab.
    Er griff nach der beiseite gelegten Fliege und band sie sich sorgfältig um die Stirn, was ihn wie einen Kamikaze aussehen ließ. Dann warf er das Notenheft der Oper von sich und starrte einige Sekunden ins Leere. Tief

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