Munroys & Makenzies Bd. 1 - Der Ruf der Highlands
die loyal zu ihrem Mann und einem Clan stand, während sie in ihrem Innern tausend Tode gestorben war. Jeden Tag von Neuem. Doch niemals in all den Jahren war ihr auch nur ein Wort des Widerspruchs über die Lippen gekommen, wenn Angus seine Söhne bei Tisch lustvoll mit Schauergeschichten über die Makenzies gefüttert hatte. Und seine Söhne hatten an seinen Lippen gehangen und den Hass auf diesen Clan aufgesogen wie ein Schwamm das Wasser. Besonders Brian, war es doch für ihn der einzige Weg gewesen, die Anerkennung seines Vaters zu gewinnen.
Das alles hatte Mhairie klaglos über sich ergehen lassen, bis zu jenem Tag viele Jahre später, an dem man Angus gefunden hatte, mit einem Messerstich mitten ins Herz. Bei seiner Beerdigung hatte sie keine einzige Träne vergossen. Nicht einmal um den Trauergästen vorzuheucheln, wie sehr sie dieser Verlust schmerzte. Allerdings hatte es auch keiner von ihr erwartet, war es doch im ganzen Tal ein offenes Geheimnis, dass der Alte schon seit vielen Jahren eine Geliebte hatte. Aber Brian hatte von Herzen getrauert um einen Vater, der ihm zeitlebens nie mehr als die kalte Schulter gezeigt hatte. Sie erschauerte noch heute, wenn sie daran dachte, wie hemmungslos er am Grab geweint hatte. Wie ein kleines Kind. Als habe er die Liebe seines Lebens verloren. Wahrscheinlich war es für ihn auch so gewesen, nur dass diese Liebe unerwidert geblieben war.
An diesem Tag war Brian zum Baronet geworden, ein Titel, der ihm kein Glück gebracht und den ihm der Tod schon einige Jahre später wieder entrissen hatte. Ihr Ältester hatte ihr nicht gedankt, dass sie seinetwegen nie den Lebensmut verloren hatte und ihm eine gute Mutter gewesen war. Im Gegenteil, er hatte sich nach und nach völlig von ihr entfremdet. Kein Wunder, nachdem er doch zeitlebens ahnungslos geblieben war. Wie hätte er verstehen sollen, dass seine Mutter nach dem Tod des Mannes plötzlich aufsässig geworden war und keine Gelegenheit mehr ausgelassen hatte, für die von ihm so verhasste Makenzie-Sippe einzutreten? Schmerzhaft erinnerte sie sich an all die hässlichen Streitereien mit Brian und seine Anwürfe, sie sei eine Nestbeschmutzerin. Dabei hatte sie nur geschildert, auf welche Weise sich die Munroys einst im Tal von Strathconon breit gemacht hatten. »Du bist eine gemeine Lügnerin!«, hatte Brian oft gebrüllt. Caitronia hatte ihren Mann dabei tatkräftig unterstützt, denn das einzige Band zwischen den beiden war noch die Aufrechterhaltung der Familienehre der Munroys gewesen. Bis über seinen Tod hinaus. Schließlich hatte man Mhairie als »spinnerte Alte« abgestempelt, doch das hatte sie nie ernsthaft gekränkt. Sie hatte nicht anders handeln können, denn sie hatte etwas wiedergutzumachen. Ihren gemeinen Verrat an Artair Makenzie.
Mhairie stieß einen tiefen Seufzer aus. Ihre Gedanken schweiften noch einmal zu Brian. Natürlich hatte er bemerkt, mit welcher zärtlichen Zuneigung sein Vater Angus den kleinen Bruder Douglas behandelt hatte. Niemals hatte der Junge geklagt, sondern war nach außen hin ein fröhliches Kind geblieben. Aber tief im Innern hatte er gewiss Höllenqualen gelitten. Dessen war sich Mhairie sicher. So sicher, wie sie darin den Grund sah, dass Brian als Erwachsener zu einem verantwortungslosen Trinker und Schürzenjäger geworden war. Nur seiner Ehe mit Caitronia war es zu verdanken gewesen, dass er nach außen hin seinen Verpflichtungen nachgekommen war, die man als Familienvorstand von ihm erwartet hatte.
Mhairie wurden die Augen feucht. Sie hatte den Jungen über alles geliebt und ihn über die Maßen verwöhnt, damit er die Ablehnung des Vaters nicht spürte. Aber hatte sie ihm mit ihrem verzweifelten Schweigen wirklich etwas Gutes getan? Hatte nicht die erste große Lüge weitere, noch grausamere Lügen geboren? Hatten sie sich nicht alle nach und nach in einem unentwirrbaren Netz aus Lug und Betrug verfangen?
Und sie zermarterte sich das Hirn mit der Frage, die sie sich wieder und wieder stellte: Hatte man ihr auch den zweiten Sohn so früh genommen, um sie zu strafen?
Eine Träne lief ihr über die Wange, während sie daran dachte, wie man ihr die Nachricht von seinem Tod überbracht hatte. Er war auf der Heimreise von der Universität Edinburgh gewesen, um Hogmanay im Familienkreis zu feiern. Als der Zug bei einem schrecklichen Sturm gerade auf die Brücke über den River Tay fuhr, war diese zusammengebrochen und hatte alle Reisenden mit sich in den Tod gerissen. Das war
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