Munroys & Makenzies Bd. 1 - Der Ruf der Highlands
dahinströmenden Fluss, bis er mit den Seen verschmolz. Mhairie wusste aus dem Schulunterricht, dass es natürlich andersherum war und er aus den Bergen kam und aus dem River Meig und etlichen Zuflüssen erst hinter dem Loch Achonachie zum River Conon wurde, der schließlich in den Cromarty Firth mündete. Für sie aber blieb er trotz ihres geografischen Wissens der geliebte Conon. Mit Wehmut dachte sie daran, dass die Schulzeit endgültig vorüber war und viele der anderen Mädchen nur noch das eine im Sinn hatten: auf Bälle zu gehen und einen Mann zum Heiraten zu finden. Auch Senga, ihre ehemals beste Freundin, interessierte sich mittlerweile ausschließlich für einen jungen englischen Anwalt, der jüngst nach Beauly gezogen war und ihr eifrig den Hof machte. Deshalb war es auch unverfänglich, die Freundin vorzuschieben, hatten sie sich doch schon länger nicht mehr gesehen. Sie war heilfroh, dass ihr Vater sie nicht auf dem Heiratsmarkt der Highlands anbot. Er kam gar nicht auf den Gedanken, dass seine Tochter allmählich unter die Haube gehörte. Dafür liebte sie ihn noch mehr, denn nur so war es ihr vergönnt gewesen, sich ohne den Zwang des gesellschaftlichen Parketts zu verlieben. Mhairie Maclachlan, so wirst du nie eine richtige Dame! Man merkt bei jedem Schritt, dass dir die Mutter fehlt!, hörte sie in Gedanken die strenge Stimme ihrer Lehrerin voller Empörung ausrufen, wenn sie wieder einmal wie ein Junge im Hof der Schule umhergehüpft war. Wie hätte sie der armen Miss Carnegie sagen sollen, dass sie alles sein wollte, nur keine feine, stocksteife Lady? Sie war glücklich, dass ihr Vater ihr alle Freiheiten ließ. Doch wie hatte Senga ihr neulich gerade prophezeit? »Mhairie, wenn du nicht endlich das Kokettieren lernst, dann wirst du noch als alte Jungfer enden. So bekommst du jedenfalls keinen Mann.« Und nun hatte das Leben Senga Lügen gestraft. Er war ihr nämlich einfach erschienen beziehungsweise sein Spiegelbild im glatten Wasser des Loch Achonachie. Ihr Herzschlag beschleunigte sich bei dem Gedanken an ihre erste Begegnung. Sie hatte gerade recht ungehalten aufs Wasser geblickt, denn es war ihr noch kein Fisch an die Angel gegangen. Ungewöhnlich, weil sie sonst immer sehr schnell genügend für das Mittagessen gefangen hatte. Zu nichts anderem diente ihr das Angeln, als ihren Vater nicht merken zu lassen, dass die Köchin wieder einmal nicht wusste, woher sie Geld für das Essen nehmen sollte. Doch als sie die gegenüberliegenden Hügel, Wälder und Berge bestaunte, wie sie sich im See widerspiegelten, war ihr Ärger rasch verflogen. Das unwirkliche Bild, wenn die Natur sich verdoppelte und ein Gemälde auf das Wasser zauberte, brachte ihre Augen jedes Mal erneut zum Strahlen. Da konnte sie noch so wütend gewesen sein. Und dann erst hatte sie das Gesicht im Wasser entdeckt. Ein lachendes Männergesicht. Sie hatte sich erschrocken umgedreht und in ein Paar funkelnder wasserblauer Augen geblickt.
»Haben Sie denn noch gar nichts gefangen?«, hatte der stattliche junge Mann mit dem blonden Haar, zu dem das Gesicht gehörte, mit entwaffnendem Lächeln gefragt.
»Das geht Sie überhaupt nichts an«, hatte sie schnippisch erwidert, bevor sie sich wieder ihrer Angel zugewandt hatte, doch der Mann war einfach nicht gegangen. Im Gegenteil. Er war mit einer merkwürdigen Angel in der Hand mit bloßen Füßen einige Schritte in den See gestapft. Dort hatte er seine lange Angelschnur beinahe tänzerisch über das Wasser geschwungen. Mhairie hatte ihm mit offenem Mund zugesehen und nicht schlecht gestaunt, als wenig später eine Forelle regelrecht hochgesprungen war und nach seinem Köder geschnappt hatte.
»Wollen Sie es auch mal versuchen?«, hatte er sie gefragt, nachdem er seinen Fang in einen Korb geworfen hatte. Mhairie war von Natur aus ein neugieriger Mensch und hatte der Herausforderung nicht widerstehen können. So hatte er sie in den folgenden Stunden mit dem Fliegenfischen vertraut gemacht, bis sie ein reichliches Mittagsmahl zusammen hatte. Und das Aufregendste daran waren jene Momente gewesen, in denen er ihre Hand geführt hatte, um ihr zu zeigen, wie sie richtig werfen musste.
»Ich muss nach Hause, unsere Köchin wartet auf die Fische«, hatte sie zum Abschied gesagt, doch er hatte nur ihre Hand genommen und sie lange angesehen. »Morgen um dieselbe Zeit an derselben Stelle?«
Ein einziger tiefer Blick in seine hellen Augen hatte genügt, um sich mit ihm zu verabreden.
»Ich
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