Munroys & Makenzies Bd. 1 - Der Ruf der Highlands
soll dir einmal jemand in deinem Alter nachmachen.«
Mhairie griff nach der Hand ihres Enkels und drückte sie fest. »Ach, wenn ich allein an die Wasserfälle von Measach und an den Hafen von Portree denke … Ich hatte immer geglaubt, unser Wetter im Tal sei launisch, aber dort veränderte es sich ja jede Minute. Sonne, Wolken, Regen, Sonne … Und trotzdem verspüre ich eine Sehnsucht nach meinem Tal.«
»Ich auch, Großmutter, ich auch, aber ich habe Angst. Wie kann ich vermeiden, dass Niall mir auf den Grund meiner Seele schaut?«
»Warum sollte er noch eifersüchtig sein? Er hat doch alles, was er wollte, und wenn du Lili nicht allzu offensichtlich anhimmelst, kann nichts geschehen.«
»Das will ich hoffen. Es ist ganz seltsam. Ich träume beinahe jede Nacht von ihr.«
»Du Schelm, du!«, lachte Großmutter Mhairie und drohte ihm spielerisch mit dem Finger.
»Leider waren es keine süßen Träume. Es war immer wieder der gleiche Traum. Sie fleht mich um Hilfe an, aber ich bin nicht zur Stelle.«
»Das ist dein schlechtes Gewissen, weil du die Frau deines Cousins liebst«, erwiderte Mhairie und schloss die Augen. »Ich möchte noch ein wenig hierbleiben, es ist so friedlich. Wenn ich mir allein vorstelle, dass ich Caitronias saure Miene wieder sehen muss oder Craig mir ins Ohr brüllt, als sei ich eine altersschwache taube Person …«
»Natürlich bleiben wir noch. Ich habe dem alten Dunbar gesagt, dass ich allerspätestens zurück bin, kurz bevor die Kälber auf die Welt kommen. Das darf ich auf keinen Fall verpassen.«
»Wahrscheinlich würde es genügen, ich würde unser Häuschen sehen, einmal zum Loch Meig wandern, und dann könnten wir eigentlich wieder abreisen.«
»Das wäre schön, aber dann muss ich bleiben, wenn ich die Zucht weiterhin ernsthaft betreiben will. Ich weiß genau, dieses Mal setze ich auf das richtige Pferd. Das macht mich unabhängig von dem restlichen Erbe meines Vaters. Dann kann ich endlich auch eine Familie gründen und …« Er stockte.
»Es freut mich, das aus deinem Munde zu hören. Ich möchte es nämlich noch erleben, wie du die Frau findest, die du liebst, nachdem du so selbstlos warst und …«
»… die Frau meines Herzens kampflos habe ziehen lassen, wolltest du gerade doch sagen, nicht wahr?«
»Dir kann man nichts vormachen. Ja, Lili Campbell ist eine besondere junge Frau, und ich hätte mir nichts sehnlicher gewünscht, als dass ihr beide miteinander glücklich geworden wäret. Aber ich sehe es ein – das ist ein frommer Wunsch. Und es ist gut, dass du so anständig warst.«
Dusten stöhnte auf. »Das erzähle bitte meiner lieben Familie.« Dann sprang er auf und forderte seine Großmutter auf, ihn bei einem Spaziergang durch den Ort zu begleiten.
Mhairie erhob sich und hakte sich bei ihrem Enkel unter. Im Sonnenlicht sahen die weißen Häuser entlang des Loch Broom noch malerischer aus als bei schlechtem Wetter. Vor einem großen Haus, das am Ortseingang stand, blieb Mhairie unvermittelt stehen. Seit man sie vor einigen Tagen darüber aufgeklärt hatte, dass hier der alte John Boyd gelebt hatte, konnte sie nicht einfach daran vorbeigehen. Immer wieder überfiel sie an dieser Stelle dieselbe Frage.
»Was meinst du, Dusten, warum ist Artair wohl damals nach seiner Rückkehr aus Nova Scotia nicht ins Tal gekommen, um mich zu holen?«, sinnierte sie.
»Das ist ganz einfach. Er war ein Ausgestoßener, ein vertriebener Crofter, der nichts besaß außer seinem Leben. Wahrscheinlich liebte er dich so sehr, dass er dir dein Leben nicht zerstören wollte.«
»Ja, schon, aber er wusste doch, dass ich sein Kind unter dem Herzen trug und …« Erschrocken schlug sich Mhairie eine Hand vor den Mund.
»Du hast ein Kind von ihm erwartet?«, fragte er fassungslos.
»Hör nicht auf das dumme Gerede einer alten Frau!«, versuchte Mhairie abzuwiegeln.
»Großmutter, ich halte dich nicht für verrückt. Komm schon, vertrau es mir an! Ich werde schon nicht tot umfallen.«
Mhairie seufzte tief. »Können wir zurückgehen? Ich glaube, ich muss mich setzen.«
Dusten brachte seine Großmutter sicher zurück zu der Bank vor dem weißen Fischerhaus. Dort saßen sie eine ganze Weile schweigend nebeneinander, bis Mhairie ihm stockend erzählte, unter welchen Voraussetzungen sie Angus Munroy geheiratet hatte und wie unrecht er ihr getan hatte, dass er zeitlebens in Brian einen Bastard vermutet hatte.
Statt mit moralischer Entrüstung zu reagieren, legte Dusten
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