Munroys & Makenzies Bd. 1 - Der Ruf der Highlands
klatschte Dusten auch schon laut in die Hände. Großmutter Mhairie tat es ihm nach. Selbst Shona und Craig sahen sich bemüßigt, Beifall zu spenden. Nur Niall starrte finster vor sich hin und zeigte keinerlei Reaktion.
Hoffentlich merkt Isobel nichts, dachte Lili noch, doch da war bereits Dusten auf das Mädchen zugeeilt, hatte es innig in die Arme geschlossen und schleuderte es einige Male wild im Kreis herum.
»Du hast eine wunderschöne Stimme!«, rief er bewundernd aus. »Warum hast du uns deine Talente so lange vorenthalten?« Dann wandte er sich an Lili. »In deiner Schule muss man doch bittere Tränen vergießen, dass man dich an die Highlands verloren hat. Du bist die großartigste Lehrerin aller Zeiten!«
»Ja, sie hat mich sogar dazu ermutigt, den Gillie Callum zu tanzen«, erklärte Isobel ein wenig atemlos. Ihre Wangen waren vor Aufregung gerötet.
»Was, den kannst du tanzen? Das muss ich sehen! Willst du ihn nicht an Hogmanay unseren Gästen vorführen?«
Isobels Antwort war ein glückliches Lächeln, das ihr Gesicht zum Strahlen brachte. Doch die Fröhlichkeit verging ihr, als ihr Vater sich einmischte. »Darüber reden wir noch. Solange du dich so schrecklich benimmst, erfülle ich dir keinen Wunsch.«
»Aber …«
»Keine Widerrede, Isobel!« Dann wandte er sich in sachlichem Ton an Lili. »Jetzt wollen wir erst einmal gemeinsam singen. Spiel einfach! Wir kennen alle Lieder.«
Sein Ton ließ Lili zusammenzucken, aber sie begann zu spielen. O come all ye faithful. Niemand fiel mit ein, bis eine volle, wunderschöne Altstimme zu vernehmen war. Lili blickte sich verwundert um. Wer war das? Da entdeckte sie Großmutter Mhairie, die mit geschlossenen Augen in ihrem Sessel saß und mit Inbrunst und aus voller Kehle sang. Lili wollte den Blick wieder abwenden, als die vornehme alte Dame die Augen öffnete und ihr ein Lächeln schenkte. Lili wurde warm ums Herz, war dieses Lächeln – abgesehen von Dustens herzlichen Worten – doch die freundlichste Geste, die ihr bislang in diesem Haus zuteil geworden war. Es beflügelte sie, voller Begeisterung ein Lied nach dem anderen zu spielen und mitzusingen. Inzwischen hatten auch die anderen Familienmitglieder mit eingestimmt, doch Mhairies Stimme trug den Gesang, und Isobels klare Stimme schwebte über allem. Lili vermied es, in Nialls Richtung zu blicken. Zu groß war ihre Sorge, dass er diesen kleinen Augenblick des Glücks nicht mit ihr teilte, sondern immer noch finster vor sich hinbrütete. Lili spürte, wie ihre Augen feucht wurden.
»Lili, ich danke Ihnen, ach, was rede ich … ich danke dir . Das war wirklich bezaubernd!«, rief Caitronia schließlich voller Rührung und umarmte ihre zukünftige Schwiegertochter, ließ sie jedoch einen Augenblick später schon wieder los.
»Aber nun wollen wir Isobel nicht länger auf die Folter spannen«, verkündete sie voll kindlicher Freude und mit hochroten Wangen. »Sie will sicher wissen, was da alles in den Strümpfen auf sie wartet.«
»Einen Augenblick bitte, ich muss mit meiner Tochter noch kurz unter vier Augen sprechen. Kommst du bitte mit nach draußen, Isobel?«, mischte sich Niall ein. Seine Miene war wie versteinert, und seine Stimme zum Fürchten. Jedenfalls zuckte Lili bei seinen Worten zusammen.
»Ja, Daddy«, erwiderte Isobel, und ihr glückliches Lächeln erstarrte zur Maske. Mit hängenden Schultern folgte sie ihrem Vater vor die Tür.
»Kommt, macht es euch vor dem Kamin bequem!«, flötete Caitronia, um die Spannung zu überspielen und weihnachtliche Harmonie vorzutäuschen.
Lili trat zu einem Sessel neben Großmutter Mhairie.
»Sie tun dem Kind gut«, flüsterte die alte Dame verschwörerisch.
Lili rang sich zu einem Lächeln durch, wenngleich ihr äußerst unwohl zumute war. Warum musste Niall diesen schönen Moment so grausam zerstören? Was hatte seine Tochter bloß getan, dass er sie so vorführte? Gut, sie war fortgelaufen, hatte das Fest verlassen, aber sie war doch zurückgekehrt und hatte ihren guten Willen gezeigt. Ja, sie hatte sogar alle mit ihrem Gesang entzückt. Warum maßregelte er sie, statt sie aus ganzem Herzen zu loben?
Lili konnte einfach nicht still sitzen, sondern sprang auf. Sie wusste, dass sie es lieber nicht tun sollte, aber sie konnte nicht anders. »Ich muss ihr helfen«, murmelte sie. »Ich muss!«
»Lili, bleib hier! Das bringt doch nichts«, warnte Dusten sie eindringlich, aber da war sie bereits zur Tür hinaus. Auf dem Flur blickte sie
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