Munroys & Makenzies Bd. 1 - Der Ruf der Highlands
Dauer ertrage. Ich habe gezögert, deinen Vater zu heiraten, weil ich aus einer ganz anderen Welt stamme. Erinnerst du dich? Meine Mutter war Köchin, und du hattest Sorge, dass deine Großmutter mich deshalb ablehnen könne. Ich hatte Angst, mein gewohntes Leben aufzugeben, und gab deinem Vater einen Korb. Aber er ließ nicht locker. Ein entscheidender Grund, warum ich Ja sagte, warst du. Ich wollte bei dir sein und miterleben, wie du den Gillie Callum in deiner Heimat tanzt. Ich wollte mit dir singen und fröhlich sein. Ich habe mich doch auch in St. George’s wohlgefühlt und wünsche mir, dass alles so wird wie vorher …«
Lili unterbrach sich, weil sich eine kleine Hand unter ihre Finger schob.
»Kommen Sie. Wir gehen wieder zurück«, wisperte das Mädchen. »Ich möchte, dass Sie uns am Klavier begleiten. Und ich verspreche Ihnen, schön zu singen, denn ich hab Sie sehr lieb … und möchte so gern Du zu Ihnen sagen.«
»So gefällst du mir, Isobel Munroy!«, rief Lili gerührt und drückte Isobels Hand zum Zeichen des Einverständnisses. »Ja, lass uns Freundinnen sein.«
Isobel aber blickte ihre ehemalige Lehrerin ernst an. »Aber die eine Sache musst du mir hoch und heilig versprechen.«
»Alles, was du willst«, entgegnete Lili, obwohl sie bereits ahnte, was jetzt kommen werde.
»Du darfst mich niemals verlassen, ganz gleich, was die Erwachsenen machen. Auch wenn sie dich hassen …«
»Aber Kleines, warum sollten sie mich hassen? Dass Craig und Shona mich nicht ins Herz geschlossen haben, kann ich verschmerzen, und deine Großmutter ist doch recht freundlich zu mir.« Lili streichelte Isobel zärtlich über die Wangen.
»Auch nicht, wenn Daddy dich nicht mehr mag und will, dass du wieder gehst.«
»Dazu wird es niemals kommen, denn ich werde ihn heiraten.«
»Trotzdem, versprich es mir!«
Lili erschrak, denn Isobels Augen hatten sich vor Angst geweitet.
»Ja, ich verspreche es dir«, erklärte Lili mit Nachdruck, und doch war ihr unbehaglich zumute. Was hatten diese Worte des Kindes zu bedeuten? Hatte Isobel Sorge, sie werde sich womöglich umbringen, wie Caitlin es getan hatte? Sie kämpfte mit sich, ob sie Isobel auf ihre Mutter ansprechen solle, aber sie beschloss zu schweigen.
»Komm, wir gehen wieder zu den anderen!« Lili fasste Isobel bei den Händen und zog sie sanft vom Bett hoch. Das Mädchen klammerte sich regelrecht an ihr fest, und so kehrten sie einträchtig in den Salon der Familie Munroy zurück.
Als sie das Zimmer betraten, verstummte das angeregte Gespräch, und aller Augen richteten sich auf sie beide. Die Familie stand noch immer um den Flügel herum, aber sie hatte offenbar noch nicht mit dem Singen begonnen.
»Wenn es noch gewünscht wird, dann werde ich jetzt spielen«, verkündete Lili mit belegter Stimme.
»Aber gern, Lili, fang nur an! Wir haben auf dich gewartet«, ermutigte sie Dusten, doch dann fing sie Nialls Blick auf. Ihm stand noch immer die nackte Wut ins Gesicht geschrieben.
Lili aber kümmerte sich nicht darum, sondern setzte sich an den Flügel. »Ich beginne mit dem Lied Angels we have heard on high . Das wird Isobel allein vortragen, wenn sie möchte, und dann können wir gemeinsam fortfahren«, kündigte sie furchtlos an.
Zu ihrer großen Freude schenkte ihr Isobel ein dankbares Lächeln und stellte sich neben den Flügel. Lili nickte ihr aufmunternd zu, bevor sie zu spielen begann. Als Isobels glockenhelle Stimme erklang, rieselte Lili ein Schauer über den Rücken. Sie war so glücklich, dass sie die Liebe des Mädchens zurückgewonnen hatte. So glücklich, dass es ihr vollkommen gleichgültig war, was die anderen über sie dachten. Nur ein einziges Mal riskierte sie einen Blick über den Flügel hinweg und blieb an einem Paar blauer Augen hängen, doch sie glänzten nicht voller Stolz wie noch vor ein paar Tagen in der Schule, als Isobel dieses Lied auf der Bühne gesungen hatte, sondern waren von dunklen Schatten umwölkt. Betroffen wandte sich Lili ab. Warum freute er sich nicht, dass sie seine Tochter zur Rückkehr in das Weihnachtszimmer hatte bewegen können?
Isobel aber bemerkte von alledem nichts. Sie sang wie ein Engel und hatte anscheinend die Welt um sich herum völlig vergessen. Nachdem sie das Lied beendet hatte, herrschte völlige Stille. Lili blickte in die Runde. Wieder blieb sie bei einem Paar blauer Augen hängen, doch diese strahlten, als würden tausend Sterne darin funkeln, denn sie gehörten nicht Niall. Und dann
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