Murder in the night - Mord bei Nacht
sie, dass Thomas gerne handgreiflich wurde, wenn er eine seiner “schlechten Nächte” hatte.
Ehe Liz antworten konnte, erbot sich Sarah. “No, I’ll go. Give me a cup of coffee for Derek and some of those.” Mit einer Kopfbewegung deutete sie auf die Schmerztabletten.
Der Weg hinunter zum Hundezwinger war uneben und Sarah fluchte leise, als ihr ein Schwall heißen Kaffees über die Hand schwappte. Ärgerlich dachte sie an die Thermoskanne, die in der Küche stand, doch sie verspürte nicht die geringste Lust, noch einmal zurückzugehen. Sie wollte das Gespräch mit Derek möglichst schnell hinter sich bringen.
Die Unterkünfte der Border Collies lagen ein ganzes Stück vom Haus entfernt. Es waren lang gestreckte, großzügige Ausläufe, die nachträglich an eine Ansammlung alter Schuppen angebaut worden waren. Einer davon beherbergte Dereks Allerheiligstes. Normale Männer hatten eine Werkstatt, dachte Sarah belustigt, Derek hatte seinen “Trophäenraum”. Sie wusste, dass sie ungerecht war, doch im Moment bereiteten ihr diese Gedanken ein grimmiges Vergnügen.
Die Hunde schlugen an, als sie näher kam. Sarah wurde langsamer und blieb schließlich unentschlossen stehen.
“Derek? Are you here?” Bis auf die Hunde, die unruhig in ihren Zwingern auf und ab liefen, rührte sich nichts. Sarah fiel auf, dass die Näpfe der Border Collies leer waren. Der Mann musste einen Mordskater haben, wenn er noch nicht einmal seine Hunde gefüttert hatte. Beinahe noch erstaunlicher war, dass Julia sich an Dereks Verbot, den Tieren zu nahe zu kommen, hielt.
“Derek?” Sarah stieß sacht gegen die hölzerne Tür des Schuppens. Anders als bei den benachbarten Baracken waren Fenster und Türen frisch gestrichen. An der Tür hingen Tafeln mit Stammbäumen.
“Derek?” Die kleinen Fenster waren verhängt, und Sarah blinzelte, um sich an das Zwielicht zu gewöhnen. Ihr Blick glitt über holzverkleidete Wände und ein paar schlichte Regale mit Hundefutter und Fachliteratur. Eine große Vitrine mit Pokalen und Medaillen, die wie ein Raumteiler inmitten des Schuppens stand, zeugte von Dereks Erfolgen.
“Derek, are you here?” Langsam kam Sarah sich idiotisch vor mit ihrem Kaffee in der Hand. Fast meinte sie schon, Dereks spöttischen Kommentar zu hören. Brummschädel oder nicht, wo zum Teufel war der Mann? Sie machte noch einen Schritt auf die Vitrine zu. Unter ihren Füßen knirschte es. Jetzt bemerkte sie, dass der Boden mit Glassplittern bedeckt war. Ein wuchtiger silberner Kelch lag auf dem Boden, eine Seite der Vitrine war zersplittert.
Sarah hörte ihr Herz hämmern. Einbrecher, dachte sie, jemand ist hier eingebrochen. Aber wer stiehlt schon Pokale von Hundewettbewerben? Die Luft kam ihr plötzlich stickig vor, das Atmen fiel schwer.
“Derek? Derek, answer me!”, schrie sie.
Hinter dem Raumteiler stand, in eine Nische gezwängt, ein Reisebett. Ein paar Kleidungsstücke lagen darauf verstreut. Sarahs Mund wurde trocken, einen Moment lang nahm sie alles überdeutlich wahr – die seltsame Anordnung der Kleidungsstücke, den merkwürdigen Geruch, und sie wusste, dass dieser Anblick sie in ihren Träumen verfolgen würde. Trotzdem konnte sie den Blick nicht lösen, denn das, was sie im Halbdunkel für achtlos hingeworfene Kleider gehalten hatte, war in Wirklichkeit die verdrehte Gestalt ihres Schwagers. In Dereks Schläfe klaffte ein hässliches, rotes Loch.
Eleven
Erst später, als Dereks Leiche bereits zum Abtransport vorbereitet wurde und die Kriminalpolizei überall auf dem Hof Spuren sicherte, erfuhr Sarah, dass eben jener Wanderpokal, den ihr Schwager in der nächsten Woche hatte verteidigen wollen, ihm den Schädel zerschmettert hatte.
Wie in Trance hatte sie auf die örtliche Polizei gewartet, geschildert, wie sie Dereks Leiche gefunden hatte, und wie durch einen Nebel hatte sie Liz hinterhergeblickt, wie sie hinüber zum Trophäenraum schritt, um ihren toten Enkel zu identifizieren, sehr aufrecht und mit ihrem vor Kummer versteinerten Gesicht Derek sehr ähnlich.
“Are you sure you want to do this, Mrs Hebblethwaite? We can wait for your grandson’s wife. We can’t reach her by phone but I can send an officer to get her.”
“Thank you, Jem, but I owe my grandson this much, don’t you think?”
Der familiäre Ton, in dem Liz mit dem jungen Polizisten sprach, war beruhigend gewesen und hatte Sarah bewusst gemacht, wie fest verwurzelt die Familie in der Dorfgemeinschaft war. Hier draußen kannte
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