Murray, Paul
Arbeit an Bruchstücken von Melodien herum, die mir gerade einfielen
oder die ich vielleicht von früher kannte: von Bels Schallplatten vielleicht,
von diesem Dylan oder dieser Frau mit der verschnörkelten Stimme, der mit dem
Lied über den Geschirrspüler und die Kaffeemaschine. Und während ich klimperte,
hämmerte Droyd, dem Frank die Grundbegriffe im Spenglern beibrachte, eine
Hundehütte für An Evening of Long Good-byes zusammen und hängte Laura
Blumenbilder in Holzrahmen von Habitat an die Wand oder durchforstete Franks
Tagesausbeute nach Schätzen, die farblich zu dem passten, was sie sich für die
Wohnung vorstellte. Und unser Patriarch Frank saß leise schnarchend vor den mit
ausgeschaltetem Ton laufenden Nachrichten, und draußen unterm Fenster dealten
die Dealer und drückten die Junkies. Eines Tages zog ich vor der Haustür Bels
Lippenstift, den ich ihr nie zurückgegeben hatte, aus der Tasche und ergänzte
das Graffiti um ein leuchtend rotes C.
»charm the homeless «, las
eine schrille Stimme hinter mir. Ich drehte mich um und sah einen Jungen in
einem schmuddeligen Pullover. Ich brauchte eine Sekunde, bis ich ihn ohne Einkaufswagen
und Komplizen erkannte. Bevor ich ihn fragen konnte, wo sie sich die ganze Zeit
herumgetrieben hätten, war er schon weggelaufen.
Ich hatte
den Job in der Lagerhalle von Franks Kumpel angenommen. Ich arbeitete in der
Nachtschicht, von zwei bis halb elf, und stellte zusammen, was am nächsten
Morgen abgeholt wurde. Die Lagerhalle war das Auslieferungszentrum einer Firma,
die Uniformen herstellte. Sie wurden in Afrika produziert, dann nach Irland
verschifft und von hier an verschiedene Orte überall im Land geliefert. Meine
Aufgabe war es, die einzelnen Lieferungen zusammenzustellen. Mit einem langen
Haken nahm ich den Bügel mit dem betreffenden Teil von einer der Stangen, die
bis unter die Decke reichten, verpackte die Sachen in Kartons, die ich schon
vorher bereitgestellt hatte, und hakte Namen und Adressen auf den dreifach
ausgefertigten Bestellscheinen ab. Der einzige andere Arbeiter war ein
Taubstummer namens Rosco, der mich im Allgemeinen in Ruhe ließ. Es war
friedlich in den Gängen voller leerer Hosen und Jacken - wie in einem Museum,
dachte ich, einem Museum der Gegenwart. Normalerweise war ich gegen neun
fertig. Ich wischte den Boden, stellte ein paar Dutzend Kartons für den
nächsten Tag bereit und zog mich dann zu einem Stuhl und wackeligen
Schreibtisch ans Ende des Krankenschwesternganges zurück. Dort, versteckt
zwischen steifen weißen Röcken und Kitteln, begann ich zu schreiben.
An
Heiligabend 1958, einen Tag, bevor sie nach vierjähriger Abwesenheit nach
Hollywood zurückkehren wollte, erlitt Gene Tierney ihren verheerendsten Zusammenbruch.
Ihr war es gut gegangen, sie hatte sich bei ihrer Mutter in Connecticut
glänzend erholt. Unter dem Motto »Die Wiedergeburt eines Stars« und »Schön,
dich wiederzusehen, du schöne Wilde« hatten Life und Time Artikel
über sie gebracht. Doch am Abend vor der Abreise war sie ohne jede Vorwarnung
völlig ausgerastet. Statt in Kalifornien wachte sie - wie Dorothy nach ihrer
Rückkehr aus Oz - in Kansas wieder auf, in der Menninger Clinic, ihrer dritten
und letzten Anstalt. Der Chefarzt glaubte nicht an die Elektroschocktherapie.
Stattdessen ermutigte er sie, das zu tun, was sie wollte; und es stellte sich
heraus, dass sie stricken wollte. Sie strickte Decken und Kissen, sie strickte
Schals, Kopftücher und bodenlange Kleider. Monat um Monat strickte und
strickte sie und fand so allmählich wieder zu sich.
Als sie
schließlich 1962 nach Hollywood zurückkehrte, existierte
das Studiosystem, das sie erschaffen hatte, schon lange nicht mehr, und wegen
ihrer Krankengeschichte fand sich keine Versicherungsgesellschaft, die das
Risiko von Projekten mit ihr abdecken wollte. Otto Preminger, ihr Regisseur bei Laura und Whirlpool, zwei ihrer
besten Filme, rettete sie: Er drohte seinen Produzenten, die Arbeiten an einem
Film hinzuschmeißen, wenn sie keine Rolle bekäme, Versicherung hin oder her.
Sie bekam die Rolle, und mit dem Kurzauftritt in Advise and
Consent hatte sie ihren noch bestehenden Vertrag mit Fox erfüllt.
Danach zog sie sich nach Houston zurück, heiratete einen Millionär und setzte
nie wieder einen Fuß in eine Anstalt.
Die Ärzte
mutmaßten, ihre Probleme wären möglicherweise nie zutage getreten, wenn sie
nicht Schauspielerin geworden wäre. Sie sei als Kind erster Kreise aufgewachsen
und jetzt in
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