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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Skippy stirbt (Teil 3)
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nahm Mr. Roche Kontakt zu Justers Vater auf und setzte ihm zu,
dem Jungen diesen Entschluss auszureden. Justers Mutter befand sich in
bedenklichem Zustand, und wie Mr. Roche wusste, scheute der Junge vor allem
zurück, was sie in Aufregung versetzen könnte. Sein Vater telefonierte mit
Juster, woraufhin der Junge einwilligte, am Wettkampf teilzunehmen. Kurz darauf
jedoch nahm er eine Überdosis Schmerzmittel.« Nach diesen letzten Worten kann
Trudy der Versuchung nicht widerstehen, den bis dahin gesenkten Blick rasch
einmal über die Runde gleiten zu lassen, mit der Genugtuung einer Schülerin,
die ihre Lektion fehlerlos aufgesagt hat.
    »Ist das richtig so?«, fragt der Automator Howard.
    »Richtig ist das
nicht ...«, murmelt Howard. Der Automator wendet sich an seinen Nebenmann.
»Tom?«
    Tom gibt keine Antwort; eine Träne rollt wie ein
Regentropfen über seine steinerne Wange. Kollektives Aufseufzen und Stühleknarzen.
Der kleine verschlagene Pater holt eine Taschenuhr heraus, haucht sie an und
poliert sie mit seiner Manschette, wobei er »Ojeojeoje« vor sich hin wispert.
    Der Automator knetet seine Stirn durch, blinzelt
abschließend und sagt: »Herrgott noch mal, Tom, wollten Sie es etwa noch einmal
tun? Wollten Sie ihn deshalb dabeihaben?«
    »Nein!«, bricht es aus Tom heraus. »Nein.« Er schaut nicht
auf. »Ich wollte ihm beweisen, dass es gut geht. Deshalb wollte ich ihn
dabeihaben. Wenn dieses Mal alles gut ginge ... dann wäre es vielleicht so,
als ob es... das andere Mal nie ...« Er schluchzt haltlos. »Ich wollte nicht,
dass es dazu kommt«, würgt er heraus. »Ich habe den Jungen geliebt. Ich liebe
alle meine Jungs.«
    Der Automator überdenkt dies mit ausdrucksloser Miene und
zusammengepresstem Mund. Dann sagt er, an die ganze Versammlung gerichtet:
»Tja, also, wir müssen uns überlegen, wie zum Teufel wir damit umgehen.«
Allgemeines Geraschel von Papieren und Hosenbeinen. »Ich bin kein Geistlicher,
ich habe kein rotes Telefon mit Direktverbindung zum lieben Gott, kann also
sein, dass ich völlig falsch liege. Aber meiner Ansicht nach ist nicht viel
damit gewonnen, die Sache auf die nächsthöhere Ebene weiterzuleiten.«
    »Mit nächsthöherer Ebene meinen Sie, die Polizei
einzuschalten?«, bringt Pater Green, spitzzüngig wie immer, den Kasus auf den
Punkt. Bei dem Wort »Polizei« stöhnt Tom auf und vergräbt sein Gesicht erneut
in den Händen.
    »Genau das meine ich, Pater. Tatsache ist, der Junge ist
tot. Daran lässt sich nichts mehr ändern. Wenn wir die Zeit zurückdrehen
könnten, täten wir es. Aber das können wir nicht. Und auf die Gefahr hin,
zynisch zu erscheinen, möchte ich doch die Frage in den Raum stellen, wozu es
irgendeinem von uns, einschließlich der Familie des Jungen, dienen sollte, die
Polizei ins Spiel zu bringen. Die Vorteile, soweit ich das sehe, sind äußerst
gering. Die Nachteile hingegen, sowohl für die Schule als auch für seine Familie,
wären enorm.«
    Howard fährt hoch. »Moment - heißt das, Sie schlagen vor,
dass wir das einfach unter den Teppich kehren?«
    »Verdammt noch mal, Howard, jetzt hören Sie mir einfach
mal fünf Sekunden zu, ja? Hier geht es um mehr als nur um eine abstrakte
Vorstellung von Gerechtigkeit. So eine Sache kann eine Schule ruinieren. Das weiß ich aus eigener Anschauung. Mir drohen im
Augenblick ohnehin schon vier Elternpaare, ihre Kinder von der Schule zu
nehmen. Wenn diese Geschichte rauskommt, flüchten sie in Scharen. Jeder Knabe,
der sich hier irgendwann auch nur den Zeh angestoßen hat, wird uns verklagen.
Und für die Medien wäre es ein gefundenes Fressen. Auf so was lauern die schon
eine halbe Ewigkeit. Wir könnten von Glück sagen, wenn uns am Ende noch eine
Schultafel übrig bliebe. Bevor Sie sich also aufs hohe Ross setzen, Howard,
sagen Sie mir doch, wer genau etwas davon hat, wenn das Ganze in die
Öffentlichkeit gezerrt wird? Justers Eltern? Meinen Sie, dass ihnen das in
irgendeiner Weise helfen wird? Seiner kranken Mutter? Oder den Jungs, meinen
Sie, das täte ihnen gut?«
    Howards Antwort besteht in einem finsteren Blick.
    »Wenn in der Vergangenheit dergleichen aufkam -«, der verschlagene,
schmächtige Pater spricht exakt so, wie Howard es vermutet hätte: mit hoher,
femininer Stimme, trocken und brüchig wie Seidenpapier, »- haben wir es stets
für besser befunden, uns intern damit zu befassen.«
    »Da stimme ich Pater Casey zu«, sagt der Automator. »Es
scheint mir am besten, dies unter uns zu regeln,

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