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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Skippy stirbt (Teil 3)
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trifft ihn am
ganzen Körper wie ein Schlag, eine Lanze, die einen Ritter aufspießt, oder zwei
Wellen, die zusammenprallen, Materie und Antimaterie. Man vergisst, wie
schmerzhaft Schmerz ist, wie prosaisch und unironisch. Schluchzend steht er da,
das Wasser sticht ihm ins Fleisch, die Qual schrillt ihm ins Ohr wie eine
Sirene. Sein Hirn jedoch schwebt über der Szene und ist mit einem Mal
kristallklar.
    Der Parkplatz ist mit blaugoldenen Lichterketten
geschmückt - hübscher Effekt, Trudys Idee. Der kommissarische Direktor Greg
Costigan hat sich ganz oben auf der Treppe zur Turnhalle postiert und sieht von
dort die Gäste in Smoking und langen, eleganten Abendkleidern aus ihren Autos steigen;
statt der üblichen gellenden Kraftausdrücke erfüllt gesetztes, würdevolles
Gemurmel den Schulhof. Die Ankommenden wiederum sehen ihn, strahlend umrahmt
auf der Schwelle zur Halle, der sie willkommen heißt wie, nun ja, wie ein
Kapitän, würde er sagen, der Kapitän eines Schiffs. Des wackeren Schiffs namens Seabrook.
    Beim Blick auf all diese Pracht und Herrlichkeit drängt
sich ein Wort förmlich auf: rehabilitiert. Greg wäre
der Letzte, der abstreiten wollte, dass die SS Seabrook in den vergangenen Monaten immer wieder mit rauer
See zu kämpfen gehabt hat. Die Geschichte mit Juster, Disziplinschwierigkeiten,
dürftige Rugbyauftritte - in solch ungewissen Zeiten hätten die meisten Männer
in seiner Position dazu tendiert, den Kopf einzuziehen, bis der Sturm sich
legt, statt ins Rampenlicht zu treten und ein solches Wagnis wie dieses hier
einzugehen. Aber Greg ist nicht die Sorte Direktor, die vor widrigen Umständen
den Schwanz einzieht. Eine kühne Geste, genau das war hier vonnöten, um dem
Unfug ein Ende zu setzen - etwas Großes, Protziges, Extravagantes, das die
Gesellschafter bei der Stange hält und allgemein das Vertrauen stärkt. Denn
eine Schule ist nicht nur mit einem Schiff, sondern auch mit einem Markt
vergleichbar, und wenn auf dem Markt Vertrauen herrscht, spielt es letztlich
keine Rolle, ob hinter den Kulissen kleinere technische Probleme auftreten.
    Und zumindest bis jetzt sieht er sich in seiner
Entscheidung hundertprozentig bestätigt und gerechtfertigt. In dem Saal ist heute
Abend jene Atmosphäre wahrer Größe zu spüren, die sich nicht mit Geld kaufen
lässt. Neben den Eltern - das Haus ist übrigens ausverkauft, was wiederum seine
Entscheidung bezüglich der Eintrittspreise bestätigt und rechtfertigt - findet
sich hier auch eine Auslese der Schule, einige Glanzlichter aus den vergangenen
dreißig Jahren: Sportler, Industriemagnaten, Medienprominenz, im Grunde die
Creme de la Creme der irischen Gesellschaft. Ein Mordsaufgebot und ein Beweis
für die besondere Verbundenheit, die Seabrook erzeugt, erläutert Greg Frank
Hart, Abschlussklasse 1968, Gedrängehalbspieler im irischen Rugbyteam von
1971-1978, mittlerweile im Bereich Grundstückserschließung tätig und mehrfacher
Millionär. »Egal, ob man vor fünf Jahren den Abschluss gemacht hat oder vor
fünfündfünfzig, man bleibt immer Teil der Familie. In der heutigen Welt ist
das etwas Seltenes und Kostbares.«
    »Kommt Pater Furlong heute Abend auch?«, erkundigt sich
Hart.
    »Ich würd's mir wünschen, Frank, wirklich. Denn in
gewisser Hinsicht findet der Abend hier ja ihm zu Ehren statt, als Tribut an
ihn und seine Vorgänger und das wunderbare Geschenk der Erziehung, das sie so
vielen Generationen irischer Jungen haben zuteil werden lassen.
Bedauerlicherweise ist er noch nicht so weit genesen, dass er das Krankenhaus
verlassen könnte. Wirklich sehr schade.«
    »Aber damit haben Sie die Bühne für sich«, witzelt Hart.
    Greg lässt ein künstliches Lachen hören. »In diese
Fußstapfen zu treten, ist keine leichte Aufgabe«, sagt er.
    Natürlich hat Frank Hart vollkommen recht; das Konzert anlässlich
der 140-Jahr-Feier markiert einen Wachwechsel. Mittlerweile muss auch den
Patres klar sein, dass ihre Zeit um ist. Wer sich heutzutage noch hinter einem
Kruzifix versteckt, steht auf verlorenem Posten; und wer in Desmond Furlongs
kleine, etwas verweichlichte Fußstapfen treten will, muss es mit den Realitäten
des Lebens im 21. Jahrhundert aufnehmen können. Wäre Desmond Furlong in der
Lage gewesen, ein Konzert zur 140-Jahr-Feier zu organisieren, das live im
ganzen Land übertragen wird? Geschweige denn einem potenziellen Skandal zu
begegnen, der um ein Haar die ganze Schule ins Verderben gestürzt hätte? Von
einem traditionellen

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