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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Skippy stirbt (Teil 3)
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afrikanischen Lehnstuhl aus den Fischen beim Schwimmen
zuzusehen, wäre Gregs Ansicht nach diesmal nicht so ganz ausreichend gewesen.
Und das wissen die Patres ebenfalls.
    In mancher Hinsicht ist es also ein trauriges Ereignis -
seine Fantasie trägt ihn weiter zu einer Antrittsrede in einem Saal, der
durchaus die Größe von diesem hier hat und ähnlich zahlreich mit Honoratioren
bestückt ist -, signalisiert es doch den Hingang einer Ära. Andererseits aber
bietet es auch Anlass zur Freude, weil es eines zeigt: Mögen die Patres, trotz
aller guten Absichten und Zielsetzungen, auch der Vergangenheit angehören, ihre
Werte werden weiterbestehen. Vielleicht werden die Männer, die sie aufrechterhalten,
statt eines Hundehalsbands Anzug und Krawatte tragen, einen Laptop statt einer
Bibel im Gepäck haben, und vielleicht wird die Brücke, über die sie
verschiedene Gruppen zusammenbringen, künftig »gemeinsames Geschäftsmodell«
heißen und nicht »Gott«. Doch auch wenn sie in neuem Gewand auftreten, die
Werte selbst bleiben die gleichen, Werte, wie Seabrook sie vertritt, Glaube,
Anstand und anderes mehr.
    Ja, allerdings, wie er sich die Szene so betrachtet - die
turmhohe Beschallungsanlage, den Rundfunktechniker bei der Arbeit am
Mischpult, den ersten von zwei Kameramännern, der das Publikum im Schwenk
filmt, die imposanten Spruchbänder und Wimpel (die man in letzter Minute aus
nicht schuleigenen Beständen auftreiben musste, nachdem der Fachbereich Kunst
nur enttäuschend Schludriges zustande gebracht hat - zerfranste Säume, die
Beschriftung schief und krumm, falsche Schreibweisen, »Chritus« statt
»Christus« etc.), die Zuschauer, ganz vertieft in die goldgeränderten,
weißblauen Umschläge, die auf ihren Plätzen gelegen haben und eine mit
Seabrook verknüpfte Kreditkarte in Aussicht stellen -, denkt Greg, dass dieser
Abend ihm nicht zum Schaden gereichen wird, ganz und gar nicht. Er muss nun
lediglich die Augen offen halten und dafür sorgen, dass nichts schief -
    »Ha, ha, wer schneit uns denn da ins Haus -« Wie der Blitz
schlängelt sich Greg durch die Menge und stürzt sich auf die ramponierte
Gestalt, die an der Tür mit dem Kartenkontrolleur verhandelt. »Howard, wie
schön, Sie zu sehen, was kann ich für Sie tun?«
    Howard blinzelt mit halb offenem Mund zu ihm empor. »Äh,
ja, ich wollte mir gern die Show ansehen ...?«
    »Er hat keine Eintrittskarte«, sagt der Junge an der Tür
mürrisch.
    »Ach herrje!, das ist ja eine Quadratschande, weil - um
Himmels willen, Howard, was zum Teufel haben Sie denn mit Ihrer Hand gemacht?«
Die Hand des suspendierten Geschichtslehrers steckt in einem Wust von geschätzt
einem halben Kilometer nicht allzu sauberen Verbandzeugs. Den Blick auf Gregs
Leibesmitte gerichtet, brabbelt er irgendwas von einem Missgeschick bei der
Zubereitung eines Wokgerichts.
    »Waren Sie schon beim Arzt?«, unterbricht ihn der kommissarische
Direktor.
    »Nein, noch nicht«, sagt Howard, der weiterhin
Blickkontakt vermeidet. Er führt etwas im Schilde, denkt Greg. Wenn man es Tag
für Tag mit Halbwüchsigen zu tun hat, lernt man die Anzeichen für ein Komplott
sehr rasch zu erkennen.
    »Sieht aus, als hätte es medizinische Behandlung nötig. An
Ihrer Stelle würde ich damit zum Arzt gehen, und zwar zackig.«
»Ja, aber ...«,
murmelt Howard, »aber ich wollte doch die Show nicht verpassen.«
    Greg hebt bedauernd die Hände. »Tja, Howard, verflixt noch
eins, das ist wirklich eine Schande, aber die Sache ist die, wir sind total
ausverkauft.«
    Howard glotzt ihn hilflos an. Bierdunst dringt ihm aus
jeder Pore. »Sie könnten nicht vielleicht ... ich meine ...«
    Völlig ausgeschlossen, dass Greg ihn auch nur in
Reichweite des Konzerts kommen lässt, selbst wenn er nicht so aussähe, als
hätte er die letzten drei Tage betrunken im Straßengraben gelegen. »Würde ich
nur zu gern, Howard -«, er legt ihm den Arm um die Schulter und lotst ihn von
den richtigen Gästen weg, die schon anfangen, zu flüstern und mit Fingern zu
zeigen, »- wirklich, aber wir müssen hier schon Leute wegschicken.«
    »Es ist nur -«, Greg kann förmlich das Räderwerk in
Howards verstopftem Hirn knirschen hören, »- nachdem doch, also, nachdem ich
doch an dem Programm mitgearbeitet habe, ist es mir sozusagen ein, sozusagen
ein persönliches ... persönliches Anliegen, bei ...«
    »Das verstehe ich durchaus, Howard. Das verstehe ich durchaus.«
Bruder Jonas ist an seiner Seite aufgetaucht; Greg nickt ihm

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