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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Skippy stirbt (Teil 3)
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hörst die Schwestern sagen, Armes Ding, sie
steht auf der Schwelle zum Tod, und stellst dir die Tür hinter der Schwelle
vor, kohlrabenschwarz. Aber es kommt immer darauf an, wie man darüber denkt,
ja, okay, die Tür ist gruselig, aber bei dem Wort Sirene denkt sie an singende Mädchen, wenn sie also die Angst
packt vor ihrem Plan und der Tür, durch die sie gehen muss, stellt sie sich
vor, dass sie genau das sind, singende Mädchen, die herkommen und dich bei der
Hand nehmen und von hier wegbringen. Und dann ist sie wieder froh und
glücklich, weil sie weiß, dass sie bald zu ihr kommen werden (vielleicht sogar
schon heute Nacht!).
    Erzähl mir von Daniel, Lori. Dr. Pollard sitzt auf einem
Drehstuhl, sie auf einem Sitzsack. Sein Fenster ist nicht vergittert. Draußen
regnet es; wieso steigt der Regen nicht hoch und verwandelt sich in ein Meer
und bricht durch das Glas? Dr. Pollard hat irgendein Spray im Haar, das es
aufbauscht und so aussehen lässt, als würde er nicht allmählich kahl.
    Dieser Drang zur Selbstzerstörung hat bei dir kurz nach
seinem Tod begonnen, nicht wahr? Und die Abhängigkeit von den
Schlankheitspillen ebenfalls?
    Sie verdreht die Augen, weil es so sterbenslangweilig ist,
das alles noch mal zu erklären. Sie hat es doch schon ungefähr tausendmal
erklärt; es hatte nichts mit Daniel zu tun, sie hat angefangen, die Pillen zu
nehmen, weil sie dachte, sie wäre vielleicht schwanger. Aber dann hat sich
herausgestellt, dass sie doch nicht schwanger war, und alles wurde wieder
normal - besser als normal; sie hatte eine Karriere als Topmodel vor sich, war
mit Janine im LA Nites tanzen und hat einen Jungen aus der Dreizehnten geküsst,
der kam vom Terenure College! Sie hat in die Zukunft geblickt, sie hätte
sofort mit den Pillen aufgehört, wenn sie mal eine Sekunde darüber nachgedacht
hätte -
    Und warum dann nicht?
    Warum dann nicht was?
    Warum hast du nicht aufgehört, die Pillen zu nehmen?
    Sie seufzt auf, rutscht in dem Sitzsack herum, verdreht
wieder die Augen, wie soll man so was erklären? Es war nichts. Es war bloß,
dass ihr nach und nach das eine oder andere aufgefallen ist.
    Was zum Beispiel?
    Ach, lauter Mist. Blödes Zeug. Total idiotisch, bringt
nichts, auch nur ein Wort darüber zu verlieren.
    Gib mir ein Beispiel.
    Ach, was soll's, so was zum Beispiel wie, dass Mom ihr dauernd
neue Klamotten für das Vorstellungsgespräch bei der Modelagentur gekauft hat,
praktisch jeden Tag ist sie los und mit einem neuen Outfit angekommen, obwohl
sie doch beide das, was sie schon hatte, perfekt fanden. Oder wenn kein Outfit,
dann irgendwas anderes, Pumps Lidschatten Täschchen Geldbörse Slipper, probier
die doch mal an, Lori, probier sie mit dem da, und dann das mit dem, oh wie
wär's mit denen hier zu denen da? Sie wollte, dass Lori Eindruck macht, das
war alles, es hat nur langsam ein bisschen genervt, und Dad hat sich
unterdessen neue Sachen für seinen Hobbyraum gekauft und neue Geräte für den
Fitnessraum, bloß dass der Anbau noch nicht fertig war, deswegen stand alles in
Pappkartons im Flur, Riesenstapel, die immer mehr anschwollen wie Dads neue
Muskeln, und obwohl sie wusste, dass ihr so langsam nicht mehr wohl dabei war,
hat Lori auch weiter Sachen gekauft, samstags im Einkaufszentrum von dem Geld,
das Mom ihr gegeben hat, um sie aufzumuntern, Make-up und Zeitschriften und
Armreifen und Slips und Tops und alles Mögliche, was sie plötzlich in Tüten in
der Hand hatte, und mit einem Mal war es, als würde das Haus immer voller von
lauter Zeug, jeden Tag mehr und mehr, mehr und mehr und mehr, mehrundmehrundmehrundmehr,
mehrmehrmehrmehrmehrmehrmehrmehrmehrmehrmehrmehrmehrmehrmehrmehr wie Millionen
wimmelnder Spermien, haufenweise, stapelweise, dicht an dicht, bis ihr die
Vorstellung kam, eines Tages würde alles bei ihr durch die Tür brechen und sie
an die Wand drücken! Und sie konnte nichts tun, außer weiter die Pillen nehmen,
weil die ein bisschen Platz für sie schafften, neue kleine Plätze, in die sie
reinschlüpfen konnte, um zu atmen, es war, als müsste sie immer mehr
zusammenschrumpfen, bloß damit genug Platz für sie da wäre.
    Das ist gut, Lori, das ist sehr gut.
    Deswegen ist Loris Zimmer hier praktisch leer; sie hat
viele Möbel rausräumen lassen und bittet die Schwestern, den größten Teil der
Blumen und Geschenke, die sie von Besuchern bekommt, unten aufzubewahren. Von
zu Hause hat sie nur Lala mitgenommen, der auf ihrem Kopfkissen liegt, und ihr Bethani

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