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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Skippy stirbt (Teil 3)
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kindischen Wunsch heraus, Greg damit
zu reizen. Doch in allerletzter Minute war er ans andere Ende der Stadt gerufen
worden, um einer Kranken die Sterbesakramente zu erteilen. Er machte sich auf
die einstündige Fahrt - und fand bei seiner Ankunft die Patientin auf wundersame
Weise genesen. Womit Pater Green nichts übrig blieb, als sich seinem Rivalen
geschlagen zu geben. Gut gespielt, Sir! Als er zurückkam, waren alle schon
weg. Durch die leeren Flure geht er in den Keller zu seinem Büro, wo er dasitzt
und die Zeiger der Uhr betrachtet.
    Keine Arbeit, Jerome? Das sieht dir
nicht ähnlich! Wirst schließlich doch alt?
    So geht es, seit der Junge gestorben ist. Er arbeitet
nicht, er schläft nicht. Er sieht ihn noch immer vor sich, in seinem Büro, wie
er pflichtschuldig Kartonbögen zu Schachteln faltet, die Laschen mit Klebeband
verschließt, ohne etwas von dem stummen Kampf zu ahnen, der keine zwei Meter
von ihm entfernt tobt, den fleischlichen Gelüsten eines alten Mannes. Selbst
jetzt, als er sich Our Lady's Hall nähert, glaubt Pater Green Schritte hinter
sich zu hören und erbebt unwillkürlich in der Hoffnung, wenn er sich umwende -
doch da ist natürlich nichts.
    An der Stirnseite der Halle bleibt er bei der Krippe
stehen, die bis jetzt nur halb besetzt ist: kein Jesuskind, keine Könige, nur
Ochs und Esel wachen über das hochheilige Paar, das im Stroh kniet. Davor die
Spenden für die Geschenkkörbe. Er bückt sich und inspiziert die Etiketten.
Mascarponecreme, luftgetrocknete Tomaten, Lychees. In diesem Jahr ist die
Ausbeute mager. Der Gedanke, Lebensmittel zu verschenken, richtiggehende
Lebensmittel aus der eigenen Speisekammer zu nehmen und sie in die von anderen
wandern zu lassen, muss in diesen Zeiten, da nur noch abstrakte Zahlen durch
die Luft fliegen, nervtötend viktorianisch anmuten. Armut - viel zu prosaisch
für diese abgehobenen Menschen.
    Daran liegt es nicht, Jerome. Es liegt
an dir.
    Ja. Pater Green weiß von den Gerüchten, die über ihn in Umlauf
sind. Er sieht die Schmierereien an seiner Tür; er hört das Geflüster, merkt,
wie sie ihn im Flur, im Lehrerzimmer, sogar in der Sakristei schneiden. Alles
in allem hat es ihm überraschend wenig zugesetzt: der Segen einer ungeselligen
Existenz. Nur dass ihm damit auch noch das bisschen Macht genommen ist, das er
hatte, um Gutes zu tun. Denn wie will ein Verbrecher an das Gewissen von
anderen appellieren? Wer spendet schon gern einem Monster? Er dient sich nun
selbst als Rechtfertigung, nicht mehr an diese verkommenen Slums und ihre
elenden Bewohner zu denken. Ironie hoch drei! Man unterschätzt doch immer, wie
sehr das Leben einen in den Staub zwingen kann.
    Warum bist du dann noch hier?
    Auf der Treppe hinunter zu seinem Büro stellt er sich die
gleiche Frage. Warum ist er noch hier? Er hat Greg seinen Sündenbock
geliefert. Der Skandal ist abgewendet, der Schwimmtrainer kann mit weißer Weste
das Weite suchen, die Schule weiterhin als Leitstern des Bürgertums glänzen.
Nun muss er nur noch gehen - damit sie ihn verfluchen und das Ganze vergessen
können. Und er will ja gehen. Er
hat genug für Seabrook getan. Warum bleiben? Um sich verleumden zu lassen?
Wegen der Sünden anderer angeschwärzt zu werden?
    Das ist doch sonnenklar, Jerome. Du
wünschst dir, es wäre deine Sünde gewesen. Deswegen sagst du nicht die
Wahrheit, deswegen nimmst du nicht den Hut. Stattdessen musst du unbedingt
hierbleiben und dich bestrafen lassen. Dabei hast du kein Verbrechen begangen.
    Nur weil ich Angst hatte.
    Ach, Jerome. Komm, es ist vorbei. Der
Junge ist unter der Erde, nur die Würmer hängen noch an seinen Lippen. Du hast
ihm kein Leid angetan. Warum musst du dich so peinigen? Warum?
    Wegen Afrika? Wegen dem, was vor
vierzig Jahren geschehen ist? Wer erinnert sich noch daran, Jerome? Die kleinen
Jungen von damals? Höchstwahrscheinlich sind sie ebenfalls schon tot. Wer dann
noch? Gott? Aber an welchen Gott glaubst du noch?
    Der Pater sitzt an seinem Schreibtisch, blättert mit
leerem Blick den Papierkram durch.
    Du bestrafst dich lieber selbst, als
die Alternative zu akzeptieren, nicht wahr, Jerome?
    Draußen wieder das Geräusch. Schritte?
    Nichts von all dem spielt eine Rolle.
Das ist es, was du nicht akzeptieren willst. Nichts davon hat eine Rolle
gespielt, keine deiner Taten, ob gut oder böse. Und so ist es auch jetzt.
    Da draußen ist eindeutig irgendwas. Und es riecht
eigenartig, beißend. Er steht auf, geht durchs Zimmer.
    Aber du, du würdest

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