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Murray,Paul

Murray,Paul

Titel: Murray,Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Skippy stirbt (Teil 1)
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Howards spitzer Ellbogen
nur die Couchlehne trifft.
    Miss
Mclntyre taucht ihren kleinen Finger in ein Döschen Lippenbalsam und schaut
taxierend auf Howard hinab. »Das steht ihm nicht zu«, sagt sie und verteilt das
durchscheinende Zeug auf ihren Lippen. Es ist Howard peinlich, wie erotisch er
das findet.
    »Das
ist lächerlich«, entgegnet er schroff. »Ich weiß sowieso, wie Sie heißen.«
    Sie
zuckt die Achseln.
    »Und
wenn ich einfach beschließe, Sie so zu nennen? Was machen Sie dann?«
    »Dann
werfe ich Sie aus der Klasse«, sagt sie ausdruckslos. »Und das wollen Sie doch
nicht, oder? Jetzt, wo Sie sich so gut machen.«
    Howard
kommt sich vor wie ein Dreizehnjähriger; ihm fehlen die Worte. Zum Glück geht
die Tür auf, was sie ablenkt. Man hört es immer, wenn Tom Roche kommt: Seit
seinem Unfall kann er das rechte Bein kaum noch bewegen, deshalb benutzt er
einen Stock und muss bei jedem zweiten Schritt sein ganzes Gewicht nach vorn
wuchten, was sich anhört, als würde jemand über den Boden geschleift. Angeblich
hat er ständig Schmerzen, obwohl er nie darüber redet.
    »Tombo!«
Farley steht auf und hebt die Hand zu einem Abklatschen, das aber nicht
stattfindet.
    »Guten
Morgen«, erwidert Tom betont steif.
    Als
er an der Couch vorbeigeht, nimmt Howard leichten Alkoholgeruch wahr. »Ach,
übrigens, Glückwunsch zu dem Schwimmwettkampf neulich«, ruft er ihm nach und
hört seine eigene Stimme, die mädchenhaft und devot klingt. »Ihr habt ja
anscheinend richtig abgeräumt.«
    »Ja,
die Mannschaft war gut«, lautet die einsilbige Antwort.
    »Tom
trainiert neuerdings die Schwimmer«, erklärt Howard Miss Mclntyre hölzern. »Am
Wochenende war ein großer Wettkampf, und die haben haushoch gewonnen. Das
erste Mal, dass unsere Mannschaft irgendwo gewonnen hat.«
    »Tombo
versteht es, Begeisterung zu wecken«, ergänzt Farley. »Die Kids gehen mit ihm
durch dick und dünn.«
    »Da
sieht gleich alles anders aus, wenn sie jemanden haben, der sie mitreißt«, sagt
Miss Mclntyre. »Aber solche echten Anführer sind heute eine Seltenheit.«
    »Außer,
er hat ihnen am Abend zuvor heimlich was ins Essen getan«, sagt Farley.
»Vielleicht ist das ja sein Geheimnis.«
    »Wir
haben verdammt hart für diesen Wettkampf gearbeitet«, erwidert Tom von seinem
Fach her. »Die Jungs hängen sich rein, und wir arbeiten verdammt hart.«
    »Weiß
ich doch, Tom. Das sollte ein Witz sein.«
    »Es
zeugt nicht gerade von Verantwortungsbewusstsein, wenn ein Lehrer so frivol
über Drogenmissbrauch spricht.«
    »Jetzt
komm mal wieder runter! Mein Gott, man wird doch noch mal einen Witz machen
dürfen.«
    »Manche
Leute hier machen viel zu viele Witze. Entschuldige mich, ich hab zu tun.« Tom
beißt die Zähne zusammen, schleppt sich vorwärts und verschwindet durch die
Tür.
    Nach
einer kurzen Pause meint Miss Mclntyre: »Ein interessanter Mann.«
    »Faszinierend«,
stimmt Farley zu.
    »Sie
beide scheint er aber nicht besonders zu mögen.«
    »Das
hat historische Gründe«, sagt Howard.
    »Howard,
Tom und ich waren auf derselben Schule«, sagt Farley, »und zufällig waren wir
dabei an dem Abend, als er seinen Unfall hatte - er hatte ja diesen
schrecklichen Unfall, Sie haben sicher davon gehört?«
    Sie
nickt langsam. »Ein Sturz oder so was?«
    »Ein
Bungee-Jump. Oben im Steinbruch von Dalkey, an einem Samstagabend im November
- also zur selben Jahreszeit wie jetzt. Es war unser letztes Schuljahr. Tom war
der große Supersportler - glänzende Aussichten, kurz davor, in die Nationalmannschaft
geholt zu werden, im Rugby, obwohl er in Tennis und Leichtathletik auch kein
kleines Licht war. Mit dem Sprung war das dann alles aus. Er hat fast ein Jahr
gebraucht, bis er wieder laufen konnte.«
    »Mein
Gott«, sagt Miss Mclntyre leise und schaut zu der Tür zurück, durch die er eben
verschwunden ist. »Ist das traurig. Und hat er ... hat er jemanden? Der sich um
ihn kümmert? Ist er verheiratet?«
    »Nein«,
antwortet Howard widerstrebend.
    »Er
ist gewissermaßen mit der Schule verheiratet«, sagt Farley. »Seit damals. Er
unterrichtet Sozialkunde, hilft bei der Leichtathletik und den Tennisteams.
Und jetzt ist er Schwimmtrainer.«
    »Verstehe«,
sagt Miss Mclntyre vage, ohne den Blick von der Tür abzuwenden. Dann steht sie
auf und bedenkt die beiden mit einem abschließenden Lächeln. »Ja, ich sollte
jetzt wohl auch was tun. Bis später, Jungs.«
    Sie
entschwebt und hinterlässt einen aufreizenden Parfümduft, der Howard peinigt,
während die

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