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Murray,Paul

Murray,Paul

Titel: Murray,Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Skippy stirbt (Teil 1)
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auf.
    »Stehen
Sie bitte auf, Mr. Juster«, sagt er freundlich.
    Skippy
erhebt sich unsicher.
    »Worüber
haben Sie gerade geredet, Mr. Juster?«
    »Ich
habe nicht geredet«, stammelt Skippy.
    »Ich
habe deutlich jemanden reden gehört. Wer hat geredet?«
    »Ähh
...«
    »Ich
verstehe. Niemand hat geredet, ist das korrekt?« Skippy antwortet nicht.
    »Lügen.«
Pater Green zählt an den Fingern ab. »Im Unterricht reden. Obszönität - wissen
Sie, was Obszönität ist, Mr. Juster?«
    Skippy
- der zusehends erbleicht und zum Gespenstfrosch wird - zieht zweifelnd eine
Schulter hoch.
    »Wir
leben in einem Zeitalter der Obszönität«, erklärt Pater Green, verlässt sein
Pult und wendet sich an die Klasse, als handle es sich um einen neuen Bereich
der französischen Grammatik. »Profanierung der Sprache. Profanierung des
Körpers, dieses heiligen Tempels. Schlüpfrige Bilder. Wir werden damit überschwemmt,
wir lernen, es zu lieben, wie Schweine, die sich in ihrem Mist suhlen, ist es
nicht so, Mr. Juster?«
    Skippy
erwidert unbehaglich seinen Blick. Er hält sich mit einer Hand an der
Tischplatte fest, als müsste er sonst zusammenbrechen.
    »I'm so piiiiimmmmmp it's ri-dick-i-less«, wiederholt der Pater, lauter
jetzt, mit einem unerträglich knödelnden amerikanischen Akzent. Niemand lacht.
»Heute, als ich im Auto unterwegs war«, erklärt er in pseudogemütlichem
Tonfall, »habe ich das Radio angemacht, und da habe ich das gehört.« Er macht
eine Pause, verzieht das Gesicht und imitiert dann: »Oh baby, I
like to play rough, and when I'm pumpin' my stuff you can 't just get enough
...«
    Köpfe
sinken bleiern auf Arme. Die Schüler ahnen schon, was als Nächstes kommt.
    »Ich
gestehe, ich wusste nicht recht -« Pater Green kratzt sich in karikierter
Ratlosigkeit am Kopf, »- was damit gemeint war, und hab mir vorgenommen, einen
von euch Jungen zu fragen. Was für Zeug pumpt er da, Mr. Juster?«
    Skippy
schluckt nur.
    »Puuuummmmpin it«, summt der Pater vor sich hin. »Pummm-pin
it realgood ... Könnte das Benzin sein? Ist er vielleicht Tankwart? Oder spricht er
von seinem Fahrrad? Geht es Ihrer Meinung nach darum in dem Song, Mr. Juster?
Redet er von seinem Fahrrad?«
    Skippy
ist der Verzweiflung nahe, seine Nasenflügel beben, tiefe Atemzüge -
    »SPRICHT ER VON SEINEM FAHRRAD?«
    Skippy
räuspert sich und sagt mit Fistelstimme: »Vielleicht.«
    Die
Hand des Paters kracht wie ein Donnerschlag auf »Jeekers« Prendergasts Tisch herab,
und alle fahren zusammen. »Lügner!«, brüllt er. Die letzten Reste der
Heiterkeit sind verflogen, und den Schülern wird klar, dass alles von Anfang an
aufgesetzt oder, besser gesagt, eine dunklere Erscheinungsform seiner normalen
Wut war, die nur auf diesen Moment gewartet hat.
    »Wissen
Sie, was mit sündigen Jungen geschieht, Mr. Juster?« Pater Green lässt seine
glühenden Blicke durch den Raum schweifen. »Ihr alle miteinander, wisst ihr,
welches Schicksal unreine Herzen ereilt? Wisst ihr von der Hölle, den nie
endenden Höllenqualen, die der Wollüstigen harren?«
    Augen
sind auf gefaltete Hände gesenkt, weichen seinem flammenden Blick aus. Pater
Green hält einen Augenblick inne und schlägt dann einen neuen Kurs ein. »Macht
es Ihnen Spaß, Ihr Zeug zu pumpen, Mr. Juster? Und haben Sie es gern hart?«
    Zwei,
drei Leute kichern unwillkürlich. Der Angesprochene antwortet nicht; er starrt
den Pater mit offenem Mund an, als könnte er nicht glauben, was da geschieht.
Geoff Sproke hält sich die Hand über die Augen. Der Pater hat seinen Spaß, er
marschiert vor der Tafel auf und ab wie ein Anwalt vor Gericht und fragt:
»Sind Sie noch Jungfrau, Mr. Juster?«
    Dies,
meine Herren Schüler, nennt man Doppelbindung. Beachten Sie die formal
perfekte Konstruktion, das Werk eines wahren Experten. Ganz offensichtlich ist
Skippy noch Jungfrau - er ist so jungfräulich, wie man nur sein kann, und wird
es wahrscheinlich bleiben, bis er mindestens fünfünddreißig ist. Aber er kann
es nicht zugeben, nicht in einem Klassenzimmer voller Jungen, die ihn alle
ansehen, auch wenn die allermeisten von ihnen ebenfalls noch Jungfrau sind.
Aber er kann die Frage auch nicht verneinen, denn der Fragesteller ist ein
Pater, der von allen guten Katholiken erwartet, dass sie keusch leben, bis sie
verheiratet sind, oder zumindest seinem Spielchen zuliebe so tut, als erwarte
er es. Also windet sich Skippy nur, zittert und atmet schwer, während sein
Peiniger ihm ein, zwei Schritte näher

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