Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Murray,Paul

Murray,Paul

Titel: Murray,Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Skippy stirbt (Teil 1)
Vom Netzwerk:
Sophie Bienvenue, die
Kleeblattanstecknadeln, die von den Schülern am St. Patrick's Day überall
verkauft werden - unternimmt er regelmäßige Fahrten in ärmere Viertel von
Dublin, wo er dann Kleider- und Lebensmittelspenden verteilt. Früher oder
später nehmen die meisten Schüler einmal »freiwillig« an einer dieser Fahrten
teil; im klobigen Kombi des Paters fahren sie in Wüsteneien aus Glasscherben
und Hundekot, tragen schwarze Tüten und Schachteln in winzige Häuser mit
vernagelten Fenstern, während sich auf der Straße gleichaltrige Jugendliche zu
schäbigen Gangs zusammenrotten und jedes Mal zu lästern anfangen, sobald sie
aus dem Auto steigen; und der Pater wirft Schülern und Rowdys gleichermaßen
furchterregend finstere Blicke zu und sieht in seiner schwarzen Kutte aus wie
ein einziger senkrechter Federstrich, ein gebieterischer, gnadenloser Hieb
durch das mit Fehlern übersäte Heft, das die Welt ist. Man kann sich nur
darüber wundern, wie froh die Armen sind, ihn zu sehen, wenn er mit seinem
falschen Lächeln und seinem Trupp zitternder Helfer an ihre Tür klopft. Aber
sie sind ja auch nicht viermal pro Woche mit ihm im Französischunterricht zusammengesperrt
und warten darauf, dass er explodiert.
    Es
ist kein Geheimnis, dass Pater Green das Unterrichten hasst, und ganz besonders
hasst er es, Französisch zu unterrichten. Oft unterbricht er den Unterricht
und lässt Tiraden - meist an Gaspard Delacroix gerichtet, den bedauernswerten
Austauschstudenten - zum Thema französische Dekadenz vom Stapel. Anscheinend
hält er das Französische an sich bereits für moralisch zersetzend, und den
größten Teil des Unterrichts nimmt die Grammatik ein, bei der die Vulgarität
dieser Sprache sich einigermaßen in Grenzen halten lässt; doch auch da machen
ihn die gleitenden Elisionen, die trüben Glottale fuchsteufelswild. Aber was
macht ihn nicht fuchsteufelswild? Selbst Luftpartikel machen ihn
fuchsteufelswild. Und die Jungen mit ihren teuren Haarschnitten und rosigen
Zukunftsaussichten erst recht. Am besten verhalten sie sich ruhig und
versuchen, ihm keinen Anlass zu Wutausbrüchen zu geben.
    Heute
jedoch ist der Pater - wie um V. Bailey und M. Gogan Lügen zu strafen -
ausgesprochen aufgeräumt, ja, die Jovialität und Heiterkeit in Person. Er
sammelt die Hefte ein und bespricht rasch die gestrige Hausaufgabe, bemerkt
zutreffend, wie langweilig sie ist, und entschuldigt sich dafür, dass er so
gescheiten jungen Männern eine so geistlose Arbeit aufgegeben hat, worüber sie,
obwohl er es wahrscheinlich sarkastisch meint, pflichtschuldigst kichern; er
macht sich in Maßen lustig über Sylvain, den Antihelden des Französischlehrbuchs,
der in der heutigen Übung mit seinen dumpfbackigen französischen Freunden all
die faden Orte bespricht, wo sie an diesem Tag waren, und dabei das Präteritum
des Verbs aller benutzt. Dann lässt er sie einen Vorstellungsbrief an
einen fiktiven Brieffreund schreiben und korrigiert unterdessen ihre Hefte.
    Nach
und nach hellt sich die beklommene Stimmung im Klassenzimmer auf. In der Ferne
hört man Vogelgezwitscher und eine zittrige aufsteigende Tonleiter aus Pater
Laughtons Musikunterricht. Hinter Skippy fängt Mario an, Kevin »What's« Wong
im Flüsterton zu erzählen, wie er letzten Sommer mit der Schwester seines
französischen Brieffreundes Sex hatte. Während er immer mehr in die
Einzelheiten geht, tritt er unbewusst gegen die Rückseite von Skippys Stuhl.
Die knochigen Finger des Paters blättern dünne Seiten um. Skippy, der immer
noch unübersehbar grün um die Nase ist, dreht sich um und sieht Mario
bedeutungsvoll an, aber Mario merkt nichts, so sehr ist er mit seinem
beeindruckend detaillierten Bericht über die sexuellen Vorlieben der Schwester
seines französischen Brieffreundes beschäftigt, einer berühmten Schauspielerin,
wie er jetzt behauptet.
    Kick, kick, kick, macht sein Fuß gegen den Stuhl. Skippy rauft sich die
Haare, und das Blut steigt ihm ins Gesicht.
    »Wo
hat die denn mitgespielt?«, erkundigt sich Kevin »What's« Wong.
    »In
französischen Filmen«, sagt Mario. »Sie ist sehr berühmt, in Frankreich.«
    »Hör
auf, gegen meinen Stuhl zu treten!«, zischt Skippy.
    Den
Kopf tief über dem Heft, das er korrigiert, trällert Pater Green vor sich hin: »I'm
sopiiiiimmmmmp it's ri-dick-i-kss.«
    Sofort
hören alle mit dem auf, was sie gerade tun. Haben sie tatsächlich richtig
gehört? Als hätte er gemerkt, dass alle ihn ansehen, schaut Pater Green

Weitere Kostenlose Bücher