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Murray,Paul

Murray,Paul

Titel: Murray,Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Skippy stirbt (Teil 1)
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die Bücher abnehmen.«
    »Okay«,
sagt Howard. Wahrscheinlich hat sie es ironisch gemeint, doch bevor sie ihr
Angebot zurückziehen kann, nimmt er ihr den Stapel Ordner und Bücher aus den
Händen, ignoriert die mörderischen Blicke von einem Grüppchen ihrer Schüler,
die noch auf dem Flur herumlungern, und geht neben ihr her zum Ausgang.
    »Und,
wie finden Sie's?«, fragt er, um das Gespräch wieder halbwegs ins Gleichgewicht
zu bringen. »Haben Sie schon viel unterrichtet, oder ist es das erste Mal für
Sie?«
    »Ach«
- sie pustet sich eine goldene Haarsträhne aus der Stirn-, »ich bin gar nicht
Lehrerin von Beruf. Eigentlich tue ich nur Greg einen Gefallen. Mr. Costigan,
meine ich. Mein Gott, ich hatte diesen Miss- und Mister-Quatsch schon fast
vergessen. Klingt richtig komisch: Miss Mchtyre.«
    »Die
Lehrkräfte dürfen sich mit Vornamen anreden.«
    »Mhm
... Aber, ehrlich gesagt macht's mir richtig Spaß, Miss
Mclntyre zu
sein. Wie auch immer, Greg und ich haben uns irgendwann mal unterhalten, und er
hat gesagt, dass sie Probleme hätten, eine gute Vertretung zu finden, und da
ich vor langer Zeit mal Lehrerin werden wollte und gerade etwas Zeit hatte bis
zu meiner nächsten Anstellung, hab ich mir gedacht, warum nicht?«
    »Und
was machen Sie normalerweise?« Er hält ihr die Tür auf, und sie treten in die
jetzt kalte und trockene Herbstluft hinaus.
    »Investmentbanking.«
    Howard
nimmt diese Auskunft bewusst neutral entgegen, dann sagt er beiläufig: »Auf dem
Gebiet war ich früher auch tätig. Zwei Jahre in der City. Futures
hauptsächlich.«
    »Und
warum jetzt nicht mehr?«
    Er
grinst. »Lesen Sie keine Zeitungen? No Future in Futures.«
    Sie
reagiert nicht, wartet auf eine ernsthafte Antwort.
    »Na
ja, wahrscheinlich werde ich irgendwann doch wieder da landen«, platzt er
heraus. »Das hier mache ich eigentlich nur vorübergehend. Irgendwie bin ich da
reingerutscht. Andererseits ist es auch ganz nett, finde ich - mal was
zurückgeben zu können. Das Gefühl zu haben, dass man was Sinnvolles tut.« Sie
gehen um den Parkplatz der Abschlussklasse herum, auf dem viele Lexus und Audi
TT stehen - Howard wird mulmig, als sein eigenes Auto in Sicht kommt.
    »Wo
kommen denn die vielen Federn da her?«
    »Ach,
das ist nichts.« Er fährt mit der Hand über das Autodach und schaufelt einen
ganzen Berg weißer Federn hinunter. Sie wirbeln zu Boden, doch ein paar
schweben wieder nach oben und heften sich an seine Hosenbeine. Miss Mclntyre
tritt einen Schritt zurück. »Das ist bloß ... äh, eine Art Streich, den mir die
Jungen spielen.«
    »Die
nennen Sie Howard Hasenherz«, bemerkt sie im Tonfall einer Touristin, die sich
nach der Bedeutung eines rätselhaften lokalen Ausdrucks erkundigt.
    »Ja.«
Howard lacht freudlos und streift noch mehr Federn von Windschutzscheibe und
Kühlerhaube, ohne eine Erklärung abzugeben. »Wissen Sie, eigentlich sind das
nette Jungs, hier an der Schule, aber ein paar von ihnen, na ja, die schlagen
schon mal gern über die Stränge.«
    »Da
muss ich ja aufpassen«, sagt sie.
    »Wie
gesagt, es ist nur ein kleiner Prozentsatz. Die meisten ... Ich meine, alles in
allem ist es sehr schön, hier arbeiten zu können.«
    »Sie
sind voller Federn«, bemerkt sie umsichtig.
    »Ja«,
knurrt er, wischt sich oberflächlich die Hosenbeine ab und rückt seine Krawatte
zurecht. Ihre Augen, die von einem leuchtenden, blendenden Blau sind, wie dafür
gemacht, spöttisch zu funkeln, funkeln ihn spöttisch an. Howard hat für heute
genug Demütigungen erlebt; er will sich gerade mit den schäbigen Resten seiner
Würde empfehlen, als sie ihn fragt: »Und, wie ist es so, Geschichte zu
unterrichten?«
    »Wie
es ist?«
    »Ich
genieße es richtig, mich wieder mit Geografie zu beschäftigen.« Sie schaut
verträumt in den eisblauen Himmel, nach den sich gelb färbenden Bäumen. »Wissen
Sie, diese titanischen Kämpfe zwischen verschiedenen Kräften, die tatsächlich
die Erde geformt haben, auf der wir heute herumlaufen ... das ist so dramatisch ...« Sie
drückt sinnlich die Hände aneinander, eine Göttin, die aus roher Materie
Welten formt, dann richtet sie ihre Augen wieder auf Howard. »Und Geschichte -
das muss doch riesigen Spaß machen!«
    Das
ist zwar nicht das erste Wort, das Howard in diesem Zusammenhang einfallen
würde, aber er belässt es bei einem verbindlichen Lächeln.
    »Was
nehmen Sie denn gerade durch?«
    »Tja,
wir sind jetzt beim Ersten Weltkrieg.«
    »Oh!«
Sie klatscht in die Hände.

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