Murray,Paul
»Ich liebe den Ersten Weltkrieg. Da sind
die Jungs sicher mit Feuereifer dabei.«
»Sie
würden sich wundern«, sagt er.
»Sie sollten
ihnen Robert Graves vorlesen«, sagt sie.
»Wen?«
»Der
war in den Schützengräben«, erwidert sie. Nach einer Pause fügt sie hinzu:
»Außerdem war er einer der ganz großen Liebesdichter.«
»Ich
seh ihn mir mal an«, sagt er stirnrunzelnd. »Sonst noch irgendwelche Tipps für
mich? Irgendwelche Lehren, die Sie aus Ihren ersten fünf Tagen als Lehrkraft
gezogen haben?«
Sie
lacht. »Wenn ich noch auf etwas stoße, sag ich's Ihnen, versprochen.
Anscheinend können Sie ja einen Rat gut gebrauchen.« Sie nimmt Howard die
Bücher ab und zielt mit ihrem Autoschlüssel auf einen riesigen weißgoldenen
SUV, der neben Howards ramponiertem Bluebird steht. »Bis morgen«, sagt sie.
»Genau«,
sagt Howard.
Aber
sie rührt sich nicht, und er auch nicht: Einen Moment lang hält sie ihn einzig
mit dem Licht ihrer spektakulären Augen fest. Sie mustert ihn, die Zungenspitze
im Mundwinkel, als überlegte sie, was es zum Abendessen geben soll. Dann
entblößt sie kokett lächelnd eine Reihe weiß blinkender Zähne und sagt: »Damit
Sie's wissen: Ich werde nicht mit Ihnen schlafen.«
Erst
denkt Howard, er habe sich verhört, und als ihm klar wird, dass sie es doch
gesagt hat, ist er immer noch zu baff, um zu antworten. Er steht einfach nur
da oder schwankt vielleicht ein bisschen. Sie steigt in ihren Jeep, und als
sie losfährt, wirbeln weiße Federn um seine Beine.
Die
Tür geht quietschend auf, und du gehst hinein in den Großen Saal. Spinnweben
überall, sie schweben vom Fußboden zur Decke wie die Schleier von tausend
verlassenen Bräuten. Du schaust auf die Karte und gehst durch eine Tür am
anderen Ende des Saals. Dieser Raum war früher die Bibliothek; der Boden ist
mit verstaubten Bücherstapeln bedeckt. Auf dem Tisch liegt eine Schriftrolle,
doch bevor du sie lesen kannst, springt die alte Standuhr auf, und ein, zwei,
drei Zombies stürzen sich auf dich! Du wehrst sie fackelschwingend ab und
läufst geduckt auf die andere Seite des Tisches, aber dann tauchen noch mehr in
der Tür auf, angelockt durch den Geruch von lebendigem Fleisch - »Skippy, das
ist stinklangweilig.«
»Ja,
Skip, meinst du, du könntest mal wen anders ranlassen?«
»Ich
bin gleich so weit«, murmelt Skippy, während ihn die Zombies die gebrechliche
Treppe hinauf verfolgen.
»Was
meint ihr, was diese Zombies den ganzen Tag machen?«, fragt sich Geoff. »Wenn
keiner da ist, den sie fressen können?«
»Sie
bestellen sich eine Pizza«, sagt Dennis. »Die Marios Dad liefert.«
»Ich
hab dir schon tausendmal gesagt, dass mein Vater kein Pizzabote ist, er ist ein
wichtiger Diplomat an der italienischen Botschaft«, blafft Mario.
»Nein,
im Ernst, wann geht da schon jemand rein, in denen ihr Spukhaus? Und was machen
die, laufen sie den ganzen Tag rum und jammern sich gegenseitig was vor?«
»Die
hören sich an wie meine Eltern«, findet Geoff. Er steht auf, streckt die Arme
aus, tapert im Zimmer herum und sagt mit zombiehafter Grabesstimme: »Geoff ...
bring den Abfall raus ... Geoff... ich finde meine Brille nicht... Wir müssen
große Opfer bringen, um dich auf diese Schule zu schicken, Geoff...«
Skippy
wollte, sie würden aufhören zu reden. Etwas Heißes windet sich um sein Gehirn
wie eine fette Schlange, eng und immer enger, sodass seine Augenlider schwer
werden ... Und jetzt verdunkelt sich für eine Sekunde der Bildschirm, gerade so
lange, dass sich ein zerlumpter Arm um seinen Hals schlingen kann. Er schreckt
aus dem Schlaf hoch, versucht sich zu befreien, aber es ist zu spät, sie
stürzen sich auf ihn, zerren ihn zu Boden, bedrängen ihn so, dass er sich
selbst nicht mehr sehen kann; ihre langen Nägel sausen durch die Luft, ihre
verfaulten Zähne knirschen, und das kleine rotierende Licht, das seine Seele
ist, wirbelt zur Decke hinauf...
»Game over, Skippy«, sagt Geoff mit Zombiestimme und legt ihm schwer die
Hand auf die Schulter.
»Na
endlich«, sagt Mario. »Können wir jetzt was anderes spielen?«
Skippys
Zimmer liegt wie alle Schülerzimmer im Turm, der sich am Ende von Our Lady's
Hall befindet und der allerälteste Teil von Seabrook ist. In grauer Vorzeit,
als die Schule gebaut wurde, aß und schlief die gesamte Schülerschaft hier und
wurde auch hier unterrichtet; heutzutage sind die meisten Schüler Externe:
Unter den zweihundert jedes Jahrgangs sind nur zwanzig oder
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