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Muschelseide

Muschelseide

Titel: Muschelseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Rückendeckung des deutschen Kaisers den Krieg. Der Zar reagierte mit einer Generalmobilmachung, woraufhin Deutschland am 1. 8. 1914 Russland den Krieg erklärte. Zwei Tage später folgte die deutsche Kriegserklärung an Frankreich. Der deutsche Einmarsch in das neutrale Belgien veranlasste Großbritannien am 4. 8. zum Kriegseintritt. Italien blieb zunächst neutral, während selbst das ferne Japan am 23. 8. in den Krieg gegen Deutschland eintrat.
    »Nun?«, fragte mich Gaetano, der gemerkt hatte, wie ich darüber nachdachte. Mit ihm konnte ich freimütig sprechen.
    »Eigentlich denke ich dabei an ein Spiel. Aber das darf ich nicht laut sagen.«
    Er lachte nicht, sondern nickte ernst.
    »Es ist tatsächlich ein Spiel. ›Das Große Spiel‹, nennen es die Politiker. Das Spiel ist diabolisch tückisch. Und manche Leute wünschten, es nähme kein Ende.«
    Mein Verständnis kam spät; aber es kam. Ich wollte mich nicht vor Gaetano blamieren. Mein Selbstvertrauen wuchs. Hatten wir Gäste und kam die Rede auf Politik oder Krieg, stellte ich Fragen und merkte sehr bald, dass die Besucher es genossen, ihre Meinung zum Besten zu geben, eine Meinung, die ja vielleicht ganz irrig sein konnte und höchstwahrscheinlich sogar irrig war, während ich das Risiko einging, mich mit einer gespielt dummen Frage bloßzustellen. Aber dieses Risiko ging ich gern ein, ich amüsierte mich sogar dabei, auch wenn die Eltern zunehmend betroffener blickten. Nur in Gaetanos Augen sah ich bisweilen das Lächeln, das mir die Gewissheit gab, dass ich nicht nur eine Topfpflanze war. Eines Abends, als die Gäste sich verabschiedet hatten, sagte er zu mir:
    »Siehst du, wie das Spiel läuft? Die alten Männer, auf die es ankommt, du weißt schon – jene, die in den Ministerien sitzen –, verdammen in der Öffentlichkeit den Krieg, während sie unter Gleichgesinnten zugeben, wie gut die Geschäfte laufen. Die Rüstungsindustrie kurbelt die Wirtschaft an, in ganz Europa rauchen die Schornsteine. Papas Bank macht astronomische Gewinne. Papa sagt, dass es schamlos wäre, sich zu freuen. Insgeheim freut er sich aber. Die alten Männer wollen den Krieg, weil er ihnen Nutzen bringt. Sie schüren den Nationalismus der Bevölkerung, bis diese jauchzend ihre Zustimmung gibt. Die jungen Männer lieben auch den Krieg, aber nur, solange die Generäle großartige Schlachten liefern und ausschließlich der Feind verwundet oder getötet wird. Leichenberge und Verstümmlungen im eigenen Lager lassen die Begeisterung abkühlen. Man mag kein eigenes Blut auf der Uniform. Das steht aber nicht in den Zeitungen, die du aus Papas Büro stibitzt. Diese Zeitungen vertreten die öffentliche Meinung.«
    Ich wurde etwas rot.
    »Mama findet es unweiblich, dass ich die Zeitung lese.«
    »Nur wer die öffentliche Meinung kennt, kann sich seine eigene bilden.«
    »Magst du den Krieg?«, fragte ich mit leiser Stimme. Er bewegte langsam den Kopf hin und her.
    »Ich bin ein ernsthafter Offizier, weil ich meiner Familie Achtung schulde. Papa würde Gefallen darin finden, dass ich Hauptmann werde, mit noch mehr Gold an den Achselstücken. Aber eins kann ich dir sagen: Nichts hasse ich mehr als die Kriegsmarine. Behalte diese Worte für dich, Schwesterchen. «
    »Ich schweige wie ein Grab.«
    Da lächelte er traurig.
    »Ach, schweigen Gräber wirklich? Ich denke eher, sie sprechen eine allzu deutliche Sprache.«
    Gaetano hoffte, auf der Horseflykiel zu dienen, wo sein Onkel Gordon, den er sehr mochte, Kapitän war. Doch ein paar Wochen vor meinem 17. Geburtstag, am 6. April, wurde er als Erster Offizier dem Zerstörer Transylvania zugeteilt, der britische Truppen über Sizilien und durch den Suezkanal nach Ägypten bringen würde. Am Morgen seiner Abreise kam Gaetano in mein Zimmer, um sich von mir zu verabschieden. Groß und überschlank, wie er war, mit den bronzenen Locken, dem schwermütigen Gesicht und den orientalischen Augen, stand ihm seine Uniform wunderbar. Doch er sah traurig und verstimmt aus. Als ich sagte, um ihn fröhlicher zu stimmen, er sei gewiss der schönste Offizier auf seinem Schiff, schüttelte er seufzend den Kopf.
    »Nein. Ich bin ein Seevogel mit schwarzen Flügeln. Du aber bist meine Prinzessin der Meere.«
    Ich kniff ihn leicht in dem Arm.
    »Schmeichler! Deine Prinzessin ist im Morgenkleid und unfrisiert!«
    »Und sieht umso bezaubernder aus! «
    Ich stieß ihn lachend von mir. Er lachte auch, bevor wir im gleichen Atemzug wieder ernst wurden. Ich sagte:

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