Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Muschelseide

Muschelseide

Titel: Muschelseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
Vom Netzwerk:
will doch Ihren Geburtstag nicht verpassen!«
    Mir fehlte Paolas einfältige Zuversicht. Die Beklemmung blieb, mischte sich wie ein Wermutstropfen in mein Glück. Denn welche Freude eines jungen Mädchens kann mit der Vorbereitung auf den ersten großen Ball verglichen werden? Die Friseuse kam täglich ins Haus, probierte neue Frisuren aus, die – bevor sie mir gefielen – meiner Mutter gefallen mussten, was keine einfache Sache war. Das Ballkleid, das die Schneiderin bereits in einem langen weißen Kasten, mit Seidenpapier ausgeschlagen, am Tag zuvor geliefert hatte, hing wie ein blasses Gespenst in meinem Zimmer. Ich betrachtete es neugierig, wie ein Tier, das eine Falle wittert. Denn es waren die Farben, die nicht ich, sondern meine Mutter für mich ausgesucht hatte. Ich liebte die leuchtenden Farben der Natur: Orange und flammendes Gelb, Hyazinthenblau, Brombeerrot. Mutter schüttelte den Kopf. Das sind keine Farben für eine junge Dame! Mein Ballkleid war elfenbeinfarben, wie es sich gehörte, mit einem breiten rosa Gürtel aus Damast. Nichts Auffälliges. Nichts Grelles. »Kind, dein Haar schimmert, als ob du es gefärbt hättest«, sagte Mutter in vorwurfsvollem Ton. »Und wenn du ständig an deinem Haar ziehst, lenkst du nur die Aufmerksamkeit auf dieses unschöne Rot. « Das stimmte: Ich zerrte an meinen Strähnen, wenn ich nachdachte, wickelte sie um den Finger, warf sie nach hinten, weil mir die Masse meiner Haare lästig war. Es sei wirklich schwierig, meinte Mutter, die passende Frisur für mich zu finden. Sie hatte schließlich angeordnet, dass mein Haar zu einem Kranz geflochten und hochgesteckt wurde – eine eher unübliche Friseur für ein junges Mädchen, die aber den Vorteil hatte, das Leuchten einzudämmen.
    Mutter bestimmte auch, dass ich Seidenhandschuhe zu tragen hatte, die bis an den Ellbogen reichten. Der einzig erlaubte Schmuck war mein goldenes Kettchen mit dem winzigen Malteserkreuz und ein bescheidenes Perlenarmband. Sie ging geschäftig und gereizt umher, regelte tausend Kleinigkeiten, ließ unser schönes Silber auf Hochglanz bringen, bestimmte die Tischordnung. Die Teppiche wurden beiseitegerollt, die Möbel im großen Salon auf die Seite geschoben, damit die Tanzenden Platz haben würden. Mein Vater tat so, als ginge ihn die ganze Aufregung nichts an, und zog sich in sein Arbeitszimmer zurück. Doch am Abend des Balls sah er in seinem in der Saville Row geschneiderten Frack so gut und kraftvoll aus, dass ich stolz auf ihn war. Auch meine Mutter war in ihrem engen, dunkelgrünen Kleid aus Taft, passend zu dem Feuer ihrer Smaragde, eine grazile, elegante Erscheinung. Und obwohl sie die Gaste begrüßte, stark und unangefochten im Mittelpunkt ihrer eigenen Welt, hatte sie wie stets etwas Jungmädchenhaftes an sich, etwas Sanftes und Vertrauensvolles, das in manchen Männern das Bedürfnis wecken mochte, sie zu beschützen. Dabei war ich nicht einmal sicher, ob sie es bewusst darauf angelegt hatte. Egal, ich wusste nur, dass ich nie werden wollte wie sie: Ich hätte mich selbst dabei verleugnet.
    Es waren in Valletta vielleicht an die hundert Menschen – immer dieselben –, aus denen sich die »Gesellschaft« zusammensetzte, die sich zu den verschiedensten und doch immer ähnlichen Einladungen trafen. Die »Karozzins«, die Pferdedroschken, hielten vor dem Haus. Die Hufe klirrten und hämmerten auf den Steinen. Verschiedene Gäste waren in Automobilen gekommen, die von der Bevölkerung neugierig und respektvoll bewundert wurden. Die Flügel der Eingangstür standen weit offen, Eingang und Treppe waren mit Kerzen und Blumen geschmückt. Diener empfingen die Gäste, die Damen waren in Ballrobe gekommen, die Herren im Frack oder in Galauniform, den Krummsäbel unter den linken Unterarm gehängt. Die Eltern empfingen die Gäste in der Diele der »Bel Etage«. Ich stand etwas hinter ihnen, küsste die jungen Mädchen – fast alle Internatsfreundinnen –, begrüßte artig die Damen, empfing die Huldigung der Herren. Ich dankte für die wunderschön verpackten Geschenke, übergab sie Paola, die sie auf einen diskreten Tisch brachte. Ein kleines Quartett – Klavier, zwei Geigen, eine Harfe – spielte bereits. Ich zeigte mich lustig und liebenswürdig, dachte jedoch unentwegt an Gaetano, der sein Versprechen nicht gehalten hatte. Oh, ich wusste, dass wichtige, ja, gefährliche Ereignisse sein Kommen verhindert hatten, aber mein Herz war schwer vor Kummer, bis plötzlich mein junger,

Weitere Kostenlose Bücher