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Muschelseide

Muschelseide

Titel: Muschelseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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stürmischer Vetter Eduardo die Treppe heraufgepoltert kam und außer Atem verkündete, die Transylvania sei vor einer Stunde in den Hafen eingelaufen! Da war mir, als ob meinem Herzen Flügel wüchsen, große Flügel in den schillernden Farben, die ich nicht tragen durfte. Und als alle Gäste erschienen waren und mein Vater mit mir den Ball eröffnen wollte, nahm ich seine Hand und hielt sie fest, erklärte jedoch, dass ich den ersten Tanz meinem Bruder versprochen hatte, falls dieser rechtzeitig zu meinem Geburtstag eintreffen würde, und ich dieses Versprechen halten wollte. Die Ankündigung löste gerührtes Wohlwollen und Beifall aus, obwohl Mutter, die jede Abweichung von der Norm missbilligte, mein Verhalten später als gewagt und taktlos bezeichnete. Vater jedoch nahm mir meine Unverfrorenheit nicht übel, die gute Nachricht hatte ja auch ihn von seinen Sorgen erlöst. Er geleitete mich zu einem Sofa, wo ich mir glücklich lachend Luft zufächelte. Man brachte mir Erfrischungen; und immer verbeugten sich junge Herren vor mir – junge Herren, die ich ja alle kannte – und trugen ihre Namen in meinem »Carnet de bal« ein, auf spätere Tänze bedacht. Ich ahnte bereits, dass ich an diesem Abend wehe Füße haben würde!
    Inzwischen wurden im Salon nebenan, zu Füßen blitzender Kerzenständer, die köstlichsten Gerichte aufgetragen. Ich blieb lange sitzen, wo ich war, denn ich wollte die Treppe nicht aus den Augen verlieren. Aber dann bekam ich plötzlich solchen Hunger, dass ich glaubte, in Ohnmacht zu fallen. Ich bediente mich hastig mit einigen Bissen Wolfsfisch, einer Scheibe Gänseleberpastete und einem Stück Pute, die mir der an der Tafel amtierende Koch kunstgerecht auf den Teller legte, schlang das alles im Stehen in mich hinein. Bei den Süßigkeiten erwischte ich ein großes Stück Pfirsichkuchen mit Mandelfüllung, trank – viel zu schnell – ein Glas Champagner dazu. Ich wusste, dass Mutter mich spätestens am nächsten Tag für mein schlechtes Benehmen tadeln würde, aber das war mir gleich. Die Welt war wieder lebenswert und voller Zeichen und Wunder. Ich fühlte mich wie auf der Schwelle einer wundervollen, bedeutsamen Begegnung, für die ich Kraft aufbringen musste, damit das warme, rote Blut meine Adern nicht sprengte. Dann hörte ich freudige Rufe; Stimmengewirr wurde vom Fuß der hohen Treppe in dem Raum, in dem ich stand, vernehmbar. Ich stand wie erstarrt, richtete wie alle den Blick zur Tür hin, nahm eilige Schritte auf den Stufen wahr, Schritte, die ich erkannte. Ich hörte die freudige Stimme meines Vaters:
    » Gaetano! Doch noch rechtzeitig, wie schön!«
    Ja, es war Gaetano, das Herz pochte mir in der Brust bei seinem Anblick, wie er in seiner Uniform etwas atemlos im Türrahmen stand. Hinter ihm trat, freundlich und unauffällig, ein zweiter Marineoffizier ein, ein Gast, den er mitgebracht hatte. Ein Mädchen lernt, zurückhaltend zu sein, die Erziehung schätzt keine Zurschaustellung der Gefühle, doch dies war mein Geburtstag. Ich eilte auf Gaetano zu, umfasste ihn mit beiden Armen. Er lachte, küsste mich auf beide Wangen. Ich atmete seinen Duft ein, ein Duft nach Sandelholz und sauberer Haut.
    »Herzlichen Glückwunsch, Schwesterchen! Sei mir gut und nimm mir die Verspätung nicht übel. Aber ich musste mich zuerst etwas frisch machen, wir Seeleute stinken nämlich ganz abscheulich nach Ruß! «
    Alle lachten, spendeten Beifall. »Hoch«-Rufe ertönten. Gaetano hob die Hand, eine freundliche, theatralische Geste.
    » Ich habe Cecilia zu ihrem Geburtstag ein ganz besonderes Geschenk versprochen. Und da Mitternacht naht, erlaube ich mir, die Regeln des guten Anstandes zu verletzen. Ich bitte Cecilia, mein Geschenk gleich jetzt auszupacken und zu tragen.«
    Er verneigte sich leicht und legte das Päckchen, das er in der Rechten hielt, in meine Hände. Es war in ein ganz einfaches Seidenpapier gewickelt, nur mit einem Streifen rostroter Seide locker umwickelt. Ich öffnete das Päckchen, das Papier schwebte zu Boden. Ein bewunderndes »Oh!« entfuhr allen Gästen. Das Kerzenlicht spielte auf einem Schal, der unwahrscheinlich zart war und leuchtend in den Farben des Regenbogens. Alle Farben, die ich so liebte, das Gold der Aprikosen, das Gelb der Schmetterlinge, die Bronze des Herbstlaubs und das Blaugrün der Wellen, waren in diesem Tuch eingefangen, doch so zart, so durchsichtig, dass das Herz sie deutlicher wahrnahm als das Auge. Doch nicht genug mit dem Wunderbaren: In den

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