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Muschelseide

Muschelseide

Titel: Muschelseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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sie steckt! Sie geht am Strand spazieren, man hat sie sogar im Unterhemd im Wasser gesehen. Was sollen denn die Leute denken?«
    »Sei ruhig, Mama«, antwortete Gaetano, nachlässig und belustigt. »Paola ist doch immer bei ihr!«
    »Ach, Paola! Zieht Paola meine Tochter aus dem Wasser, wenn sie ertrinkt?«
    Jetzt lachte Gaetano herzlich.
    »Mama, Cecilia ertrinkt nicht. Ich habe ihr doch Schwimmen beigebracht, und damals war sie acht! Jetzt schwimmt sie so gut wie ich, das kann ich dir versichern.«
    »Ja, aber was sollen die Leute denken?«
    »Sie reitet, sie spielt Tennis. Was ist denn dabei?«
    »Ist sie nicht etwas zu alt, um mit jungen Leuten um die Wette zu laufen? Ihre Haut ist schon ganz dunkel, das ist wirklich nicht schön. Macht sie so weiter, wird es ihr niemals gelingen, eine standesgemäße Ehe einzugehen. Sie bringt die Familie in Misskredit. Oh, das weißt du nur zu gut, Gaetano!«
    Ihr Lamento fand bei Gaetano wenig Gehör.
    »Ich weiß nur, Mama, dass Cecilia als das schönste Mädchen in Valletta gilt und dass verschiedene Freunde sich bereits in sie verguckt haben. Und was ihren Bewegungsdrang angeht, sportliche Übungen sind für das Wachstum und die Gesundheit unentbehrlich.«
    Meine Mutter seufzte »über die neuen Wege der Welt«, aber Gaetanos freundlicher Zuspruch vermochte stets ihre Grillen zu zerstreuen, und die Gespräche endeten stets damit, dass sie ihre Bedenken – zumindest für eine Weile – nicht mehr äußerte. Es war schon so, dass sie diese Sachen lieber mit ihm als mit meinem Vater besprach, weil sie Emilio, der so große und wichtige Gedanken wälzte, mit derlei Kleinigkeiten nicht belasten wollte.
    Meine Mutter, diese naive Frau, hatte Kinder geboren, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. James, den ältesten, sahen wir selten, weil er in Rhodesien Vaters Bankniederlassung leitete. Südafrika war ein Land mit gewaltiger Zukunft, der Handel mit Rohstoffen blühte, die Bank warf bedeutende Gewinne ab. James war längst über dreißig, stark und groß gewachsen, mit einem seltsam lautlosen Gang. Sein Gesicht zeigte eine fast rostrote Farbe; er trank viel, und seine vorgewölbten grauen Augen waren von Äderchen durchzogen. Er war ein Mann von gefährlicher körperlicher Kraft, dessen inneres Wesen mir fremd blieb. Ich war froh, dass wir ihn nur alle paar Jahre zu Gesicht bekamen. Er hatte sich kürzlich verheiratet, und seine Frau Melissa war kaum älter als ich. Eine blonde, recht anmutige Frau, immer perfekt zurechtgemacht, die, obwohl Engländerin, in Lausanne aufgewachsen war und sich der afrikanischen Sonne kaum aussetzte. Dass James und Gaetano Brüder waren, glaubte auf den ersten Blick keiner. Gaetano hatte nichts Finsteres, nichts Grausames an sich. Er war so liebenswürdig, so lebhaft, so klug. Und so großzügig. Woher, mochte sich mein Vater fragen, hatte er diese Natur, die ihn überall immer das Erlesenste suchen ließ? Den besten Schneider, die schnellsten Pferde, das erste Automobil Maltas und – man sagte es diskreter – die schönsten Frauen. Er machte sich gute Tage dank seines Geldanteils, den er mit achtzehn geerbt hatte. Vater seufzte: »Wenn du alt bist, wirst du von Almosen leben!«, aber Gaetanos anziehendes Wesen machte, dass er ihn nicht zu sehr tadelte. Er hatte Freunde, die spielten, Vater sah es zunächst mit Sorge, merkte aber bald, dass Gaetano zwar freigebig war, aber nicht verschwenderisch. Und seine Spielschulden hielten sich in angemessenem Rahmen. Von einem jungen Mann wurde schließlich erwartet, dass er im Freundeskreis »Whist« oder »Pharao« spielen konnte, ohne gleich sein Vermögen zu verprassen. Tatsache war, dass Gaetano zwar oft am Spieltisch saß, aber wenig verlor, was auf Scharfsinn oder Glück oder auch beides schließen ließ. Er zahlte auch nie für Freunde, die nicht vertrauenswürdig waren. Es war eine angeborene Vernunft in ihm, die ihn offenbar vor Schlimmem bewahrte.
    Gaetano war kein Geschäftsmann; er war ein Mann des Meeres. Vater legte ihm nichts in den Weg, war doch sein Bruder Gordon bereits Kapitän des Kreuzers Horseflykiel . Doch Gaetano bevorzugte die Handelsmarine. Er hatte zu viele Träume, zu viele Phantasien. Mit einundzwanzig war er Schiffsleutnant, hatte fremde Länder besucht, ihre Bewohner kennengelernt, sich mit ihren Sprachen, ihren Bräuchen vertraut gemacht. Wenn ich das Wenige, was ich wusste, mit seinen Erfahrungen verglich, war ich bestürzt. Wie unendlich beschränkt war doch

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