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Muschelseide

Muschelseide

Titel: Muschelseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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zweimal. Ich bin Kazuo Imada. Wir haben uns im Flugzeug nach Rom getroffen. Ich kam von Rhodos, erinnern Sie sich?«
    Also doch nicht Fabio, dachte ich, und fühlte mich auf sonderbare Weise erleichtert.
    »Sie sind der japanische Journalist, nicht wahr?«
    »Wir haben Ping-Pong gespielt«, sagte er. »Mit Ihrem Brötchen. «
    »Ach so, ja, ja!« Ich musste lachen. »Wo sind Sie jetzt?« »In Valletta.«
    »Oh, weshalb sind Sie denn hier?«
    »Meine Redaktion möchte, dass ich einer Geschichte nachgehe, von der ich keine Ahnung habe.«
    »Kommt das oft vor?«, fragte ich.
    »Sehr oft sogar.«
    »Und was machen Sie dann?«
    »Dann informiere ich mich.«
    »Informationen muss man doch finden können.«
    »Manchmal finde ich viele. Aber diesmal sieht die Sache ein bisschen mühsamer aus, als ich es mir vorgestellt habe. Und ich würde Ihnen gern ein paar Fragen stellen. Haben Sie Zeit und Lust? Ich lade Sie zum Essen ein.«
    »Wo wohnen Sie denn?«, fragte ich.
    »Im Phoenicia, gleich hinter dem Busbahnhof.«
    »Das ist ja ganz in der Nähe!«
    »Ich habe mir Valletta schon ein bisschen angesehen«, sagte er. »Wollen wir uns im Café Cordina treffen?«
    »Ja, danke«, sagte ich. »Mit Vergnügen.«
    Ich fühlte mich plötzlich in Hochform. Nach dem Debakel mit Fabio tat es mir gut, wieder mit einem Mann auszugehen. Ich erledigte meine E-Mail-Korrespondenz, reservierte einen Platz auf der Fähre, ein Hotelzimmer gleich dazu, weil Touristenzeit war und ich nicht wusste, wie lange ich auf Gozo bleiben würde. Es war nicht leicht, kurzfristig eine Unterkunft zu buchen, auch Pensionen waren kaum noch zu haben, aber der Name »Azur«, auf den ich mich berief, war als Sesamöffnedich kaum zu überbieten.
    Als ich alles erledigt hatte, war es bald Zeit, zu gehen. Im Badezimmer betrachtete ich mich im Spiegel, entdeckte eine Falte auf der Stirn, die ich bisher nicht bemerkt hatte. Ich seufzte. Na gut, da war nichts zu machen. Ich bürstete mein Haar, band es zu einem Pferdeschwanz zusammen. Danach tupfte ich etwas goldenen Puder auf die Lider, zog meine Brauen sorgfältig nach und verzichtete auf Lippenstift. Rote Spuren am Glas waren mir zuwider. Ich zog ein weißes T-Shirt und schwarze Hosen an und stellte abermals verwundert fest, wie sich die Muschelseide jeder Kleidung anpasste, wie sich ihre Farben nahezu magisch verwandelten. Zu dem weißen T-Shirt schimmerte der Schal nicht grünlich, sondern braun-golden, fast wie meine Haut.
    Bis zum Café waren es nur wenige Minuten zu Fuß. Eingekeilt in den Strom der Touristen brauchte ich etwas länger als sonst. Vor dem Ockergelb der Häuser wirkte alles sehr lebhaft, sehr farbig. Es wehte kein Wind, die Luft war klar, und die Palmen standen so ruhig, als ob sie unecht wären. Kazuo, der draußen auf mich gewartet hatte, kam mir auf der Terrasse entgegen.
    »Die Sonne brennt«, sagte er. »Wenn es Ihnen recht ist, können wir drinnen essen, da ist es schön kühl.«
    »Ja, das ist angenehmer.«
    Er war größer, als ich ihn in der Erinnerung hatte, schmaler und drahtiger als Fabio. Ich betrachtete ihn eingehender, als ich es im Flugzeug getan hatte, wo meine Gedanken von Fabio in Beschlag genommen waren. Er hatte, obwohl er um die vierzig war, etwas sehr Jugendliches an sich. Sein Gang war weich und nachlässig. Sein Gesicht war durchaus männlich, scharf geschnitten. Seine Brauen waren dicht und flaumig, die eine war leicht hochgezogen, was seinem Gesicht einen asymmetrischen Ausdruck verlieh, einen Ausdruck von Teilnahme und Klugheit. Um den Mund spielte ein leichtes, spöttisches Lächeln. Er schien sich selbst wenig ernst zu nehmen, sich aus der Distanz zu betrachten. Auf diese Weise wirkte er empfindsam und nachdenklich, vielleicht sogar schüchtern, eine Schüchternheit, die seine selbstbewussten Umgangsformen gut verbargen.
    »Das Café habe ich erst gestern entdeckt«, sagte er. »Es gefällt mir. Obwohl ich nicht ganz weiß, was ich davon halten soll.«
    Er deutete auf die Fresken an der Decke, die Maltas blutrünstige Vergangenheit als vielfarbige Groteske darstellten. Ich war belustigt.
    »Seinerzeit galt der Maler als unverfroren. Er hatte sogar Prozesse am Hals.«
    Der Kellner brachte die Karte. Für sich hatte Kazuo bereits Mineralwasser bestellt. Ich nahm das Gleiche.
    »Kennen Sie unsere Küche?«, fragte ich.
    »Nicht gut, leider«, erwiderte er. »Und ich lasse mich gern von Ihnen beraten.«
    »Schön. Gibt es etwas, das Sie nicht essen würden?« Er schüttelte

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