Muschelseide
Sommer-Trenchcoat, einen trendigen Beutel aus Velours, in dem sich eine ganze Menge verstauen ließ, und einige gut sitzende Badeanzüge. Auf das Zürcher Nachtleben hatte ich keine Lust, in der Sommerzeit lief auch kein guter Film. Nach einem Abendessen, allein mit mir selbst und meinem Frust, legte ich mich früh zu Bett und sah fern. Der Tag nahm kein Ende, die grelle Sonne brannte hinter den Scheiben, alles war hell und beängstigend still. Ich kam mir wie in einem Raumschiff vor. Wie war ich bloß auf die Schnapsidee gekommen, diese Wohnung zu kaufen? Ich setzte eine Schlafbrille auf und dachte an Fabio. Vor dem Einschlafen war ich eine Zeit lang sehr unglücklich.
Am frühen Nachmittag war ich wieder in Valletta. Die Stadt voller Touristen war heiß, geschäftig und wohltuend lärmend. Domenica empfing mich mit dem Hinweis, dass mein Vater im Schachklub sei und zwei Anrufe für mich gekommen wären. Ich sah sie fragend an. Sie schüttelte unglücklich den Kopf. Am Telefon geriet sie schnell in Panik. Sie schämte sich wegen ihres Sprachfehlers und sagte am liebsten gar nichts. Fabio, dachte ich, wer denn sonst? Ich stöhnte innerlich auf, verärgert und doch irgendwie gerührt.
»Domenica, wie oft habe ich dir gesagt, du möchtest den Namen aufschreiben?«
Sie spreizte hilflos die Finger. Ja, das hätte sie tun sollen, aber sie hatte den Namen wirklich nicht verstanden.
Ich fasste mich in Geduld. Fabio würde wieder anrufen. Ich überlegte, was ich ihm sagen konnte, und fand außer Vorwürfen nicht viel.
Ich suchte Francesca in ihrem Atelier auf. Ich klopfte, hörte ihre Stimme, die »Herein« sagte, und fand sie vor ihrer Staffelei. Neugierig betrachtete ich das Bild, das sie in Arbeit hatte. Im natürlichen Licht kamen die Farben voll zur Geltung. Blau-, Grün- und Rosatöne beherrschten einen Hintergrund, der einen sehr dynamischen Schwung zeigte, eine Wellenbewegung. Im unteren Teil des Bildes wurden die Farben dunkler; ein großer roter Farbklecks trat hervor, als ob Wasser und Blut sich vermisch ten. Aus der Form wurde ich zunächst nicht klug, bis ich feststellte, dass es sich um einen ausgeweideten Fisch handelte. Ricardos Worte kamen mir in den Sinn. Das Bild drückte etwas Unterschwelliges aus, etwas grausam Subtiles, das unheimlich wirkte.
»Es ist das erste Bild, das ich hier male«, Francesca sprach gleichmütig. »Bisher habe ich viel gezeichnet – Tusche, Öl- und Temperafarben. Eigentlich waren es nur Skizzen. Aber am liebsten arbeite ich doch mit Acryl. Ich mag großformatige Bilder. Was das Publikum dazu sagen wird, ist mir egal.«
»Es gibt hier einige gute Galerien«, sagte ich.
»Ja, ich habe mich schon umgesehen. Aber ich will nichts überstürzen. Ich muss die Dinge auf mich einwirken lassen.«
Ich sah zu, wie sie die Farben mischte, den Pinsel mit kräftigen Bewegungen führte. Schließlich fragte ich:
»Weißt du eigentlich, was du malst?«
Sie wandte ihre Augen nicht von der Leinwand.
»Wenn Maler die Frage auf Anhieb beantworten, darfst du an ihrer Ehrlichkeit zweifeln. Die Motive kommen nur langsam an die Oberfläche. Wir erkennen sie erst, wenn sie dargestellt wurden. Maler können sich diese Empfindung erlauben, denn sie machen etwas Neues daraus. Sie schauen zurück, aber werfen dabei etwas Neues nach vorn.«
Wenn sie so sprach, hatte ich das Gefühl, dass wir uns sehr nahe standen. Aber das war vermutlich eine Illusion. Ich sagte:
»Ist dir eigentlich bewusst, dass du Farben verwendest, die in Cecilias Schal vorkommen?«
Sie drehte mir, ziemlich ruckartig, ihr kantiges Gesicht zu. Als sie antwortete, war mir, als zöge sie jedes Wort aus ihrem innersten Mark hervor.
»Mir ist es aufgefallen, ja, seitdem ich hier bin. Und zunächst hat es mich sehr verwirrt. Jetzt spricht Cecilia zu mir, wenn ich meinen Pinsel führe. Sie sagt: ›Du bist in meine Farben vernarrt, Francesca. Aber das, was du mit den Farben ausdrücken willst, kannst du nur ausdrücken, wenn du sie auch fühlst.‹ So spricht Cecilia zu mir. Und es genügt ihr nicht, diese Dinge nur einmal zu sagen. Sie wiederholt die Worte mehrere Male. Mit ihrer Stimme kehren alle meine erbärmlichen Kindheitserinnerungen zurück. Alle meine Bilder hier kommen aus der Tiefe meines Körpers und nicht aus irgendeinem Unterricht in der Kunstakademie.«
Ich konnte es nicht leichtgläubig hinnehmen. Und doch überlief mich ein Frösteln. Plötzlich wurde mir erschreckend klar, dass Cecilia für sie wahrhaftig
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