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Muschelseide

Muschelseide

Titel: Muschelseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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den Kopf.
    »Wir Japaner sind – auch in kulinarischer Hinsicht – recht neugierig. Wobei wir uns gelegentlich auf fragwürdige Experimente einlassen. Daneben haben wir einen ausgeprägten Gesundheitsfimmel und reisen nie ohne Medikamente.«
    Ich musste lachen. Alles, was er sagte, erschien mir komisch.
    »Keine Sorge, ein großes Risiko gehen Sie auf Malta nicht ein. Es kann allerdings sein, dass Sie zunehmen. Macht es Ihnen nichts aus, fett zu werden?«
    »Dazu werde ich kaum Zeit haben«, meinte er. »Ich bin ja nur kurzfristig hier.«
    Ich winkte dem Kellner, bestellte als Vorspeise gebackene Bohnen, in Öl und Knoblauch eingelegt. Dann eine Fischsuppe, von der ich wusste, dass der Koch sie nicht zu üppig machte.
    Ferner Rindsrouladen, mit Eiern, Spinat und Käse gefüllt und in Rotwein geschmort. Kazuo stieß einen Seufzer aus.
    »Klingt aufregend. Ein bisschen zu reichhaltig vielleicht?«
    Ich beruhigte ihn mit der Bemerkung, dass das ein ganz normales maltesisches Essen sei.
    »Wie bringen Sie es nur fertig«, fragte er nachdenklich, »so schlank dabei zu bleiben?«
    »Ich tauche, das wissen Sie ja.«
    »Vielleicht sollte ich nach dem Essen auch tauchen?« Ich nahm einen Schluck Mineralwasser.
    »Ja, aber nicht mit vollem Magen.«
    Wir lachten beide. Es folgte eine kurze Stille. Nachdenklich ließ ich das Glas in meinen Fingern kreisen. Er hatte etwas sehr Anziehendes in seiner zurückhaltenden Art und war doch so lebendig.
    »Ich hoffe, Sie haben mir meinen Anruf nicht übel genommen«, sagte er. »Die Dame am Telefon schien etwas ... überfordert.«
    »Domenica, unser guter Geist, hat leider einen Sprachfehler und tut sich schwer, wenn sie die Leute nicht kennt.«
    »Sie hätten mich ja doch auch für unverschämt halten können.«
    »Ich gab Ihnen ja meine Karte, also war’s in Ordnung.« »Rauchen Sie?«, fragte er.
    »Nein, das würde ich meinen Lungen nicht zumuten.«
    »Als Student habe ich viel geraucht«, sagte Kazuo. »Aber heute nicht mehr.«
    »Ich auch, genauso. Rauchen war damals in Mode.«
    Es lag eine gewisse Verwandtschaft zwischen uns, ein natürliches Einverständnis ohne Worte. Dieses Einverständnis war neu, hatte keine Zeit gehabt, sich zu entwickeln. Aber ich empfand dabei ein sonderbares Glücksgefühl.
    Der Kellner brachte die Vorspeise. Ich sagte:
    »Ich hoffe, dass Sie nichts gegen Knoblauch haben.« »Wenn Sie das Gleiche essen wie ich ... «
    Er kostete behutsam die Bohnen und nahm dazu das geröstete Brot, das ich ihm reichte.
    »Schmeckt wundervoll!«
    Ich nickte zufrieden.
    »So. Jetzt erzählen Sie mal. Womit kann ich Ihnen helfen?« Kazuo nahm einen Schluck Wasser.
    »Nach unserer Begegnung im Flugzeug habe ich ›Malta‹ in eine Suchmaschine eingegeben. Als ich einiges erfahren hatte, fragte ich in Tokio an, ob Globe schon etwas über Malta gebracht hätte. Das war abends, und am nächsten Morgen traf die Antwort ein. Nun müssen Sie wissen, dass wir eine Anzahl Abonnenten haben, die gern etwas über den Krieg lesen, und zwar ebenso gern über seine guten wie über die schlechten Seiten. Es ist eine Frage der Generation, würde ich meinen.«
    »Nostalgiker gibt es überall«, sagte ich. »Bei uns liegt ein abgeschossener deutscher Bomber mit Flügel, Rumpf und Propeller in vierzig Metern Tiefe und gilt als beliebter Tauchgang für Fortgeschrittene. Tja, ich für meinen Teil sehe mir lieber Korallen an.«
    Kazuo nickte.
    »Der Herausgeber – mein Freund Hiroshi also – wünschte, dass ich etwas über das englisch-japanische Bündnis im Ersten Weltkrieg in Erfahrung brachte. Er meinte, die Angelegenheit sei einen Abstecher wert.«
    Ich starrte ihn verblüfft an.
    »Davon höre ich zum ersten Mal!«
    »Keiner weiß etwas, das ist es ja gerade. Jedenfalls soll in den Jahren 1914 bis 1918 ein japanisches Geschwader zur Schutzbegleitung englischer Truppenverbände im Mittelmeer aufgeboten worden sein. Als es zu einem Gefecht mit U-Booten kam, verloren ungefähr hundert japanische Seeleute ihr Leben. Und angeblich befindet sich in Valletta, auf dem Friedhof der englischen Marine, eine Grabsäule mit den Namen dieser Gefallenen. Haben Sie die Grabsäule mal gesehen?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Dazu kann ich Ihnen nur Folgendes sagen: Auf dem Marinefriedhof liegt ein Großonkel von mir. Sein Schiff, die Transylvania , wurde von einem U-Boot versenkt. Als ich Kind war, besuchten wir gelegentlich sein Grab. Aber eine japanische Gedenksäule? Ich entsinne mich nicht. Wissen

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