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Muschelseide

Muschelseide

Titel: Muschelseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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daraufhin getan?«
    »Das Übliche: Ich habe mich betrunken, bis mich mein Freund nach Europa schickte. So brauchte ich nicht zu überlegen, wohin ich reisen könnte.«
    »Und wie geht es dir jetzt?«
    »Eindeutig besser.«
    »Es genügt zu wollen«, sagte ich. »Aber manchmal will man nicht, das ist ja das Problem.«
    »Und wenn man sich dazu entschlossen hat?«
    »Dann werden die Dinge ganz anders.«
    Ich spielte mit meinem silbernen Löffel, ließ ihn gegen die Tasse klingeln.
    »Hättest du Lust, morgen mit mir nach Gozo zu fahren?« Statt sofort zu antworten, holte er eine Landkarte aus seiner Fototasche und breitete sie auf dem Tisch aus.
    »Kennst du die Insel gut?«
    »Gozo ist noch recht unversehrt, weil sich keine Industrie ansiedeln konnte. Ich werde Nona besuchen und ein paar Tauchgänge machen.«
    »Freitauchen habe ich nie geübt«, sagte er. »Ich verzichte ungern auf Schnorchel. Ich bin nicht sehr gut, fürchte ich.« »Man kann seine Leistungen verbessern.«
    »Mein Ehrgeiz hält sich in Grenzen«, seufzte er.
    »Und wie steht es mit der Unterkunft?«
    Vielleicht lag es an der Art, wie er das sagte, jedenfalls fühlte ich mich plötzlich so schwerelos und froh, wie ich mich nur im Wasser fühlte, wenn ich in einem einzigen Atemzug so viel Luft mitgenommen hatte, dass ich – für ein paar Augenblicke nur – in den Bewusstseinszustand des Atemstillstands geriet. Das waren immer die Momente, in denen ich am glücklichsten war, wenn die Welt aufhörte, wirklich zu sein, wenn sie verzaubert und verwandelt war.
    Ich antwortete lässig.
    »Ach, wir finden schon etwas für dich.«
    »Gut«, sagte er, »ich werde mein Gepäck im Phönicia lassen und nur den Rucksack mitnehmen. Und den Laptop, den brauche ich leider.«
    »Auch den Schnorchel«, sagte ich.
    Wir gingen zum Wagen zurück. Es war jetzt sehr heiß, die Mittagsluft war stickig. Wir sprachen nur wenig. Zwischen uns war eine Spannung und gleichzeitig eine Losgelöstheit, die alles hell und weiß erscheinen ließ. Als ich vor dem Hoteleingang hielt, saßen wir eine Weile da, rückten auch nicht näher zusammen. Ich vermochte nicht einmal, ihn anzusehen. Meine Hände, die ich beobachtete, zitterten leicht. Eine Kleinigkeit, ein Zufall, hatte uns zusammengeführt. Wir hätten uns so leicht verfehlen können! Tausend Dinge hätte ich ihm gern gesagt, aber ich konnte nur still dasitzen, dankerfüllt und etwas benommen, bis wir einander zulächelten und Kazuo mit weicher Stimme das Schweigen brach:
    »Willst du noch einen Augenblick auf mein Zimmer mitkommen?«

17. Kapitel
    A ls wir durch die Drehtür die Hotelhalle betraten, war sie hell von der Sonne erleuchtet; mit den Pastellfarben der Wandbemalung erwachte der müde Charme der Jahrhundertwende. Man hatte nur das Nötigste renoviert. Das Dekor sollte noch das gleiche sein wie zur Zeit der Königin Viktoria. In den größeren und kleineren Salons zeigten Fenster mit Rundbögen, geblümte Vorhänge, Holztäfelungen, Möbel im Empirestil und aus Korb, monumentale Marmor- und Eisenkamine, Kronleuchter, Billardtische und falsche griechische Plastiken die Reste früherer Prestigejahre.
    Ich werde noch so weit kommen, dachte ich, dass ich das alles hasse. Das Gefühl war irrational.
    Kazuo holte den Zimmerschlüssel, und die routinierte Empfangsdame streifte mich mit freundlich gleichgültigem Blick. Zusammen mit einigen Hotelgästen, die höflich an uns vorbeistarrten, quetschten wir uns in den altmodischen Aufzug. Kazuos Zimmer in der vierten Etage war kühl und geräumig. Das Bett und die Vorhänge waren aus geblümtem Chintz, die Fenster waren offen, und durch das Gitter der Jalousien blitzte das Licht.
    »Ein bisschen antiquiert«, meinte Kazuo.
    »Sie legen Wert darauf, dass es so bleibt«, sagte ich. »Die Gäste finden es romantisch.«
    Zwischen uns war die Befangenheit aufkommenden Begehrens, aber noch verhielten wir uns zurückhaltend. Wir wollten beide unsentimental und vernünftig sein. Wir hatten uns gerade erst kennengelernt, den sicheren Ankerplatz der Gefühle noch nicht verlassen. Es war schwierig, der Erschütterung zu widerstehen. Anderseits, warum hätten wir widerstehen sollen?
    »Lach mich jetzt bitte nicht aus«, begann er.
    Ich sah ihn abwartend an, gleichsam von mir selbst gelöst. In der Ferne lärmten Stimmen, summte der Verkehr. Draußen im Gang quietschten Schritte, Gäste gingen zu ihren Zimmern, Koffer rollten über die Parkettböden.
    »Mir scheint«, fügte er langsam hinzu,

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