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Muschelseide

Muschelseide

Titel: Muschelseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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›Hühnerbrühe, die magst du doch?< Ihre Knochen waren völlig porös, sie konnte nicht einmal mehr den Löffel zum Mund führen. Der Arzt meinte, dieser Zustand könnte noch Wochen anhalten, aber keineswegs besser werden. Ich flößte ihr behutsam die Brühe ein. Sie sagte: ›Schmeckt gut!< Aber sie konnte die Brühe nicht im Mund behalten, sie lief ihr über den Hals in den Kragen ihres Nachthemds. Ich stellte die Schüssel auf den Nachttisch, holte eine frische Serviette aus dem Schrank. Als ich zurück zum Bett kam, lag Marina mit weit offenen Augen und marmorweißem Gesicht da, völlig unbeweglich. Sie war so einfach und ruhig gestorben, dass ich den Augenblick ihres Todes tatsächlich verpasst hatte. Es war – wenn ich mich so ausdrücken kann – ein schneller, glücklicher Tod. Und ich konnte mich später des Gedankens nicht erwehren, dass er durch Cecilia gekommen war ...«
    Ich kratzte, während ich sprach, den Rest Zucker aus der Tasse. Ich glaubte eine gespeicherte Hektik bei mir wahrzunehmen, einen Mangel an Selbstbeherrschung. Aber Kazuo saß mir völlig entspannt gegenüber.
    »Wer kennt diese Geschichte?«, fragte er.
    »Außer dir keiner. Ricardo? Der wäre sofort zu seinem Beichtvater gelaufen, die Kirche ist ja gleich über die Straße. Und das, was Francesca sagte, wollte ich nicht wahrhaben. Ich hatte Angst. So einfach ist das.«
    »Ich war immer der Meinung«, sagte er, »dass wir die Schöpfung verstehen sollten, statt vor ihr davonzulaufen. Das bringt doch nichts. Cecilia ist nicht umsonst gekommen, da hast du den Beweis.«
    Ich kam mir jetzt doch etwas lächerlich vor.
    »Hast du nie Angst?«
    Fältchen zeigten sich in seinen Augenwinkeln.
    »Sehr oft sogar. Ich habe Angst vor den Menschen. Denen traue ich alles zu. Das Grausamste und das Dümmste. Menschen bringen Dinge fertig, die einem vernünftigen Gespenst nie in den Sinn kommen würden. Wenn du Cecilia wieder begegnest, sei bitte nett zu ihr. Kein ›Vade retro‹, auch kein Weihwasser, ja? Sie hat ja nur helfen wollen.«
    Ich brach in Lachen aus, warf den Kopf zurück und lachte, bis mir die Luft ausging. Ich war ziemlich überdreht, es war ein nervöses Lachen. Aber ich fühlte mich auch gut, unbeschreiblich gut, nahezu euphorisch. Die Anfälle der Unruhe, in denen ich das Gefühl hatte, ohne Hilfe etwas Schlimmem und Unausweichlichem ausgeliefert zu sein, waren plötzlich verschwunden. Als ob ich die ganze Zeit eine schwere Last auf den Schultern geschleppt hätte und sie endlich dorthin abstellen könnte, wo sie hingehörte.
    Er blinzelte mir zu.
    »Warum lachst du jetzt? Vorhin warst du doch traurig.« Ich wischte mir die Augen.
    »Mir ist eigentlich nicht zum Lachen zumute. Aber du sagst so abwegige Sachen, dass ich nicht anders kann.«
    Sein Lächeln blieb nur als Schatten auf seinem Gesicht. Er fragte behutsam, verhalten:
    »Hast du in deinem Leben niemanden, mit dem du lachen kannst?« Wir sahen uns an. Die Stimmung zwischen uns hatte plötzlich etwas Dichtes, Intimes an sich. Ich wollte, ich hätte über die Gefühle reden können, die kamen, wenn man plötzlich einen Fremden traf und sich ihm nahe fühlte. Ich hatte Jahre zugebracht, ohne zu ahnen, dass er existierte, dass es, während ich mich an Fabio klammerte, Menschen wie Kazuo gab, die nicht ihre männlichen Reize spielen ließen und sich wie in einem Fellini-Film auf Frau und Kind und Geliebte beriefen, um zu vertuschen, wie sehr sie an Konventionen gebunden waren. Ich sagte:
    »Da war jemand, dem ich vertraute. Und doch – nein. Ich habe festgestellt, dass ich ihn nicht kannte. Ich habe ihn in Rom sitzen lassen.«
    Er schmunzelte vor sich hin.
    »O ja! Im Flugzeug ist mir aufgefallen, wie unruhig du warst.«
    »Du beobachtest gut.«
    Er verzog das Gesicht.
    »Man kann es sich beibringen und wird dabei ziemlich genau. Aber manchmal urteile ich zu voreilig.«
    Ich beugte mich vor, um ihm voll ins Gesicht zu sehen. »Und wie steht es mit dir?«
    »Bei mir war es meine Frau, die mich sitzen ließ. Ich war zu viel unterwegs und verdiente nicht genug Geld für ihre Ansprüche. Wenn sie sich unglücklich fühlte, hatte ich ein schlechtes Gewissen. Kürzlich lag sie mir damit in den Ohren, ein Haus zu kaufen. Ein Notverkauf, die Familie, die das Haus gebaut hatte, war pleite. Ich sagte zu Mariko: ›Wenn die Zinsen für die Hypothek steigen, sind wir auch pleite.‹ Sie wurde böse und reichte die Scheidung ein. Ich war eine Zeit lang sehr traurig.«
    »Und was hast du

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