Muschelseide
»dass ich mich in dich verliebt habe.«
Ich bemerkte, dass mein Mund trocken war und ich innerlich zitterte. Ich antwortete spröde:
»Heute Morgen?«
»Nein, schon damals, im Flugzeug.«
»Ich hatte dich vergessen.«
Ich sagte dies wohl mit Überzeugung. Er lächelte nur.
»Das war unbestreitbar. Aber ich musste es dir trotzdem sagen.«
»Bereust du es?«, fragte ich.
»Man verliert viel Zeit im Leben, wenn man anfängt, solche Worte zu bereuen.«
»Und wie fühlst du dich jetzt?«
»Beduselt«, sagte er.
»Ich kann das nicht verstehen«, sagte ich.
»Nein?«
»Überhaupt nicht.«
Daraufhin brachen wir beide in Lachen aus. Und wurden im gleichen Atemzug wieder ernst. Das Gefühl, das so ganz anders war, nahm zu, und wir hörten auf zu sprechen. Wie die sickernde Quelle zum reißenden Bach und zuletzt zum mächtigen Strom wird, der seine Ufer überflutet, so wuchs dieses Gefühl in uns, bis es jeden bewussten Gedanken verschüttete. Ich weiß nicht, wie es kam, dass ich plötzlich in seinen Armen lag, dass er mich an seine Brust drückte. Da wurde mein Körper auf einmal nachgiebig und weich, ein mir wohl bekanntes Phänomen. Ich packte sein Gesicht mit leicht zitternden Händen, spürte mit jedem Herzklopfen, jedem Atemzug, dass alles, was wir jetzt taten, ohne Eigenwillen ineinander überfloss. Wir küssten uns erst zart, fast befangen, dann stürmisch und unnachgiebig, bis wir vor Verlangen aufstöhnten. Er hob mich leicht hoch und legte mich auf das Bett. Ich trug an diesem Tag ein Band im Haar, das mir in Form eines Pferdeschwanzes über den Nacken fiel. Als er das Band löste, seine Hände in mein Haar grub und es auf den Kissen ausbreitete, hängte ich mein ganzes Gewicht an seinen Hals und zog ihn auf mich nieder. Malta ist eine sehr alte Insel; das Feuer, das wir im Blut tragen, ist nicht die lichte Glut der sozialen Wohlerzogenheit, obwohl wir – aus Anstand und Pseudofrömmigkeit – diesen Anschein gern erwecken. In Kazuo musste etwas sein, das dieses Ursprüngliche spürte, ihm vielleicht sogar entsprach. Ich brauchte nicht mein Gesicht zu verbergen, weil er sah, wer ich war. Und er konnte es aus mir herauslocken, wie man einen Vogel aus dem Wald lockt. Als er mir half, mich zu entkleiden, wusste ich, dass er mich schön finden würde, dass meine Haut von der Sonne gebräunt und vom Meerwasser geglättet war. Ich trug keinen Büstenhalter, ich hatte nur früher, als Heranwachsende, aus Prüderie einen getragen. Heute war meine Taille sehr schmal, meine Hüften waren rund, und ich kannte meine geheimen Wünsche sehr genau. Kazuos Haut war heller als meine, sein Körper der eines jungen Mannes. Auch seine Kopfform war schmal und edel. Es ist stets ein bewegendes Erlebnis, zum ersten Mal den Kopf eines Mannes nachzuspüren, seinen Nacken, die Form seiner Wangen, seiner Ohren. Kazuos Bewegungen waren ruhig, seine Gesten gelassen, sie entsprangen einer unbewussten Sicherheit. Wie bei einem Tänzer floss jede Geste geschmeidig in die nächste über. Seine Körperlichkeit war nie aufdringlich oder fordernd, sondern behutsam sich mir anpassend. Wir waren noch unerfahren im Umgang miteinander, mussten uns ja erst kennenlernen. Manchmal vermengten sich unsere Worte, bis sie auf geheimnisvolle Weise eins wurden mit anderen Worten, die wir vor uns hin murmelten und die sich kaum vernehmen ließen. Unter meinen Händen war sein Körper warm und dicht. Während ich mich über ihn beugte, fiel er in die Kissen, seine ruhig offenen Augen waren zwei Wolken und seine Glieder locker wie die Glieder eines Schlafwandlers. Als ich seinen Kopf emporhob, öffnete er die Lippen. Ich küsste seinen Mund, sein Handgelenk und seine Schulter, die glatt und warm wie ein Kiesel unter meinen Lippen lag. Angefüllt mit Süße und Dunkel ließen wir dann schweigend voneinander, lagen wir in gelöster Mattigkeit da. Nach einer Weile hob ich seine Hand, drückte sie an meine Wange und küsste sie. Dann fiel seine Hand wieder zurück. Die vertrauten Geräusche der Wirklichkeit huschten an mir vorbei. Vermutlich schlief ich ein, doch nicht für lange. Als ich plötzlich mein Gesicht aus dem Kissen hob, sah ich im flimmernden Zwielicht eine Gestalt, die ich, noch halb im Traum, immun geworden gegen jede Überraschung, mit matter Neugier betrachtete. Die Gestalt schien auf halber Höhe im Zimmer zu schweben, wobei sie unmerklich im Luftzug hin und her schwankte. Es war eine Frau, die eine Faldetta trug. Ihr Gesicht war hell wie
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