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Muschelseide

Muschelseide

Titel: Muschelseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Porzellan. Ihre Stirn war breit, ihre Augen mit den geschwungenen Brauen, die sich über der geraden Nase beinahe trafen, waren dunkel und ausdrucksvoll. Ein Lächeln, unbefangen und schelmisch, zuckte um ihre Mundwinkel, bevor sie sich langsam abwandte, zu einem schwebenden Schatten wurde und dann zu einem Umriss, durchsichtig wie gesponnenes Glas, der im Licht verschwand. Da erst kehrte, Glied für Glied, das Gefühl meines eigenen Körpers zurück. Der Name Cecilia bildete sich in meinen Gedanken, mischte sich durch die Schleier meiner Mattigkeit hindurch mit den Lichtstreifen der Jalousien. Ich hatte Zeit gehabt, sie zu betrachten und nochmals zu betrachten, bis ich sie genauer sah, vollkommener als jemals zuvor. Ihre Erscheinung war zart, rund, zierlich, unendlich ausdrucksvoll, aus Luft gefertigt. Und dennoch, sie war nur ein Schatten gewesen, die Substanz, aus der die Träume sind. Ich hätte nie gedacht, dass sie auch hier in diesem Zimmer sein könnte. Nach Rom war sie nicht gekommen.
    Ich dachte noch an sie, als Kazuo erwachte, mein offenes Haar streichelte, wieder und immer wieder.
    »Was für schönes Haar du hast! Wie reife Trauben.« Ich antwortete geistesabwesend:
    »Ein Lockengewirr. Ich pflege es mit Öl, sonst lässt es sich nicht kämmen. Meine Vorfahren, die aus Afrika kamen, waren hart, ehrgeizig und brutal. Ich kann es heute noch sein. Ist es dir nie aufgefallen?«
    Er blinzelte amüsiert.
    »Manche Japaner, die sich heutzutage brav und wohlerzogen geben, sind Nachkommen von Vorfahren, die in mittelalterlichen Kriegszügen recht heftig gewütet haben.«
    »Ich denke«, sagte ich, »dass immer etwas davon übrig bleibt.«
    Er lächelte, still und herzlich, beide Hände in meinem Haar vergraben, das ich langsam über sein Gesicht gleiten ließ. Ich lag halb auf ihm, meine nackte Brust auf die seine gepresst. Es war, als hätten wir zwischen uns einen Stromkreis erschaffen, unsere Kräfte und Phantasien verbunden. Als ob wir einander erkannt hätten, mystisch und wirklich, wie es nur in Träumen geschehen kann, in Träumen, die plötzlich wahr werden. Wir ließen uns verzaubern von diesem aufwühlenden Gefühl, von dieser neuen, zärtlichen Form der Wirklichkeit. Doch etwas musste gesagt werden. Ich brach mit einem Seufzer das Schweigen.
    »Weißt du – sie war hier.«
    Er verstand sofort, wen ich meinte.
    » Cecilia? «
    Ich nickte wortlos. Während er sanft meinen Rücken streichelte, liefen kleine Schauer, aufflackernd und pulsierend, meine Haut entlang.
    »Weißt du, was das zu bedeuten hat?«, fragte er.
    Ich wandte mich ruckartig zu ihm um, trotz allem noch etwas bange, bange, dass er mich am Ende doch auslachen würde.
    »Dann glaubst du also nicht, dass ich phantasiere?« Er antwortete lächelnd.
    »Du kennst den Spruch: Es gibt so viele Dinge zwischen Himmel und Erde, von denen unsere Schulweisheit nichts ahnt...«
    »Du bist ein Pedant.«
    »Ach ja?«
    Wir lachten beide. Ich wusste, ohne sagen zu können, woher, dass er mir wirklich und wahrhaftig glaubte.
    »Aber warum habe ich sie hier gesehen? In diesem Zimmer?«
    Er antwortete heiter.
    »Vielleicht, weil sie dir etwas mitteilen will?«
    Er sprach von ihr in liebevollem, nachsichtigem Ton, wie man von einer Bekannten spricht, von der man zwar viel gehört, die man aber selbst noch nie getroffen hat. Und nur weil auch Kazuo an Cecilia glaubte, wurde sie wirklich. Ich sagte mir, dass die Erscheinung, selbst wenn sie nicht mehr vorhanden war, doch existiert haben musste. Ich hatte Cecilia nicht erfunden, aber vielleicht hatte ich sie erträumt. Und sie war Wirklichkeit geworden. Und an diesem Punkt angelangt, glaubte ich plötzlich, das ich nun endlich klarsah. Die meisten Menschen spürten nicht mehr, wie nahe die unsichtbare Welt doch sein konnte. Sie fanden diese Welt fremd und gefährlich, bevölkert von Wesen, die zwangsläufig böse sind. Diese ganze Abneigung, warum bloß?, dachte ich. Für mich war es stets die Neugier gewesen, die zählte, das Überschreiten von Grenzen, die unaufhörliche Suche nach Geheimnissen. Mumifizierte Einschränkungen lehnte ich ab. Beide Welten, die sichtbare und die unsichtbare, waren wie Wasser und Erde, dicht beieinander und unendlich fern, verschieden tief eingetaucht in Zeitabstände. Von ihrer Gesamtheit erlebten wir nur einen Bruchteil oder sahen nur, was wir sehen wollten. Ich hatte zu verstehen geglaubt, dass Francesca, die sich vor Gespenstern fürchtete, über ihre Mutter nie ein schlechtes

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