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Muschelseide

Muschelseide

Titel: Muschelseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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wuchs.
    »Kazuo! Sag etwas! Wie fühlst du dich?«
    Er starrte mich vage an, bevor endlich ein Schimmer von Bewusstsein in seine Augen trat. Seine Stimme war nur ein heiseres Flüstern.
    »Saumäßig!«
    »Hast du Schmerzen?«
    »Ich ... ich weiß nicht. Was war mit mir?«
    Gott sei Dank, er war bei Verstand! Vor Erleichterung begann ich heftig zu zittern, wiegte mich zähneklappernd hin und her.
    »Deine Flosse ... ist hängen geblieben.«
    »Ja ... «, stammelte er. » Ich kam nicht los! «
    Ich betrachtete unwillkürlich sein Bein und erstickte einen Aufschrei. Im Wasser war mir nicht aufgefallen, dass er verletzt war. An beiden Knien waren Blutergüsse, die in tiefe Fleischwunden ausliefen, große Schnitte, aus denen dunkles Blut sickerte.
    »Er muss sofort in Behandlung«, sagte Lorenzo. »Keine Sorge, wir kriegen das schon hin! «
    Er nahm sein Handy, rief im Krankenhaus an und erklärte, dass wir einen Tauchunfall gehabt hatten. Danach zog er sein Hemd aus, das er fest um die klaffenden Wunden zog, um den Blutfluss zu unterbinden. Inzwischen hatte Kazuo wieder etwas Farbe im Gesicht, aber seine Lippen waren noch blau. Während die Gianni Kurs auf die Dwejra Bay nahm, gab ich Kazuo Mineralwasser zu trinken, steckte ihm Traubenzucker in den Mund, schirmte ihn, so gut es ging, von dem starken Sonnenlicht ab. Bis wir die Küste erreichten, war Lorenzos Hemd schon dunkelrot vor Blut.
    Es war längst Mittag, als die Gianna in den Hafen fuhr. Lorenzo legte an, befestigte die Leine. Wir hoben Kazuo mit vereinten Kräften aus dem Boot, stützten ihn den Weg bis zum Parkplatz hinauf. Wir legten den Verletzten hinten in meinen Wagen, ich breitete eine Decke über ihn aus. Dann setzte ich mich ans Steuer und fuhr hinter Lorenzo, der mit seinem eigenen Kleinwagen gekommen war, die staubige Landstraße hinauf, zurück nach Rabat. Verwirrt und aufgewühlt, wie ich war, beachtete ich Verkehrssignale nur mit Mühe. Etwas war in meinem Kopf, etwas, für das ich keine Erklärung fand. Später!, dachte ich. Später wirst du Zeit haben, dich mit dieser Sache zu befassen.
    Das Craig General Hospital, mehrmals vergrößert und umgebaut, machte einen modernen, effizienten Eindruck, was auf Malta, Heimat des Johanniterordens, nichts Ungewöhnliches war. Während sich ein Arzt sofort Kazuos annahm, führte mich eine freundliche Schwester in einen Raum, wo ich mich endlich meines Neoprenanzugs entledigen konnte. Ich hatte Blutergüsse an Hüften und Schenkeln, und der Anzug war an verschiedenen Stellen zerschnitten, was ihn für die Zukunft unbrauchbar machte. »Scheiße«, murmelte ich immer wieder. »Oh, verdammte Scheiße!« Schlotternd und erschöpft zog ich Shorts und T-Shirt an, kämmte mich und wusch mein Gesicht. Dann schleppte ich mich in das Wartezimmer, wo bereits einige Leute saßen. Ich grüßte, wie es sich gehörte, und alle grüßten höflich zurück. Es roch nach Desinfektionsmittel und kaltem Essen, der übliche Krankenhausgeruch. Ich sah eine Kaffeemaschine und ging mit steifen Schritten auf sie zu. Ich steckte eine Münze ein, ließ mir einen Becher einlaufen und setzte mich abseits. Ich rührte im Kaffee, trank in kleinen Schlucken. Er schmeckte scheußlich, oder vielleicht bildete ich es mir nur ein. Der Zucker war unten im Becher festgeklebt, ich kratzte ihn mit dem Löffel los, geistesabwesend. Die Schwere in mir wuchs, mein Kopf, mein ganzer Körper, alles fühlte sich bleiern an, und jeder Muskel tat mir weh. Ein Knoten stieg in meinem Hals hoch, als ob ich weinen müsste und nicht konnte. Die Menschen, die im Warteraum saßen, unterhielten sich leise. Ich sah ihre Münder, die sich bewegten, aber kein Ton erreichte mich, kein Geräusch. Als mein Kopf nach hinten gegen die Wand fiel, schlief ich bereits.

22. Kapitel
    E ine Hand, die sich auf meine Schulter legte, weckte mich. Ein Schatten schob sich zwischen mich und das Licht. Ich fuhr zusammen, richtete mich auf. Ich blinzelte benommen, sah in das freundliche Gesicht der Schwester und war sofort hellwach. Mein Nacken war steif und schmerzte. Ich stellte fest, dass ich allein im Wartebereich war. Wie lange saß ich schon da? Ein paar Minuten? Eine Stunde?
    »Schlimm?«, fragte ich.
    »Wissen Sie, am Anfang sah es nicht gut aus. Da war sein Kreislauf so herunter. Aber jetzt erholt er sich schnell. Wie lange war er unter Wasser?«
    Ich rieb mir die Stirn.
    »Eine ganze Weile.«
    Sie nickte vielsagend.
    »Sie kamen gerade rechtzeitig.«
    »Und das Bein?«,

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