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Muschelseide

Muschelseide

Titel: Muschelseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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sich auf. Der Glaube, dachte ich, ist weder ein Segen noch ein Fluch, sondern eine Art fünftes Element, eine Zugabe zur Schöpfung. Der Glaube ist eine gesammelte Kraft, die etwas in Bewegung setzt, was längst in uns vorhanden ist, zwischen Instinkt und Bewusstsein, alles vermengt.
    Endlich war ich so weit, dass ich auch von den Seegraswiesen berichten konnte, von den sich abzeichnenden Möglichkeiten. Hier war nun wirklich eine ganz neue Lage entstanden, von der noch gar nicht zu ermessen war, welche Chance sie mit sich brachte. Ich fragte Lorenzo, ob wir in Tommasos Boot noch einmal hinausfahren könnten. Ich hatte vor, einige Videoaufnahmen zu machen, die ich Annabel mailen wollte. Der nächste Schritt würde wohl sein, dass ich, mit Nonas Rat und Unterstützung, ein Projekt ausarbeiten würde, das dem Vorstand in New York dann vorgelegt werden müsste. Nona hörte zu, mit einem Ausdruck von Glückseligkeit und geheimnisvoller Melancholie; sie ließ mich an ein Kind denken, vor einem Tor stehend, das sich nur bei gewissen Gedanken öffnete – und jetzt plötzlich aufsprang und ihr eine Welt voller Wunder zeigte. Fast erschreckte mich ihre übersteigerte Freude, als ob es nicht gut gewesen wäre, mehr zu empfinden, als die bloße Vernunft es zuließ. Ich war versucht, sie in die Wirklichkeit zurückzuholen, sie zu warnen: »Um Gottes willen, Nona, welche Ahnung hast du vom Business? Hör auf, dir solche Hoffnungen zu machen!« Aber ich brachte es einfach nicht übers Herz. Sie gehörte zu den Menschen, die in ihrer eigenen Welt leben, die sich durch kein Vernunftargument entmutigen lassen. Ich wurde fast verlegen, als sie unvermittelt und gierig meine Hand packte und ich spürte, wie ihre Finger geradezu vor innerem Feuer brannten. Solche Zeichen gaben nicht nur der Freude Ausdruck; sie verrieten eine Art Besessenheit, als ob sie Träume in sich trüge, die mich zwangen, mitzuträumen. Vielleicht war sie nur von Trugbildern umgeben. Aber ich hatte inzwischen gelernt, dass man ganz gut mit ihnen leben konnte.
    »Sei mir nicht böse, Nona«, sagte ich sanft, »denk immer daran, dass wir erst am Anfang stehen!«
    Sie schüttelte lächelnd den Kopf. Es war bestürzend, das Frohlocken und die Zuversicht in ihrem Lächeln zu sehen. Ihre Stimme war tief und weich.
    »Ich bin dir nicht böse. Du tust jetzt, was getan werden muss. Mein Traum wird wahr werden. Ich weiß es.«
    Sie machte unentwegt Druck. Ich hätte am liebsten gekniffen.
    »Wie kann sie da so sicher sein?«, fragte ich Lorenzo.
    Er schüttelte fast belustigt den Kopf; aus seinen Augen sprach seine ganze Liebe zu Nona.
    »Es ist einfach. Sie sieht Dinge, die wir nicht sehen können. Das liegt eben in ihrer Familie«, setzte er nüchtern hinzu. »Sie bezieht viel Trost daraus.«
    Am nächsten Morgen brachte ich Kazuo die Tageszeitung, seinen Laptop und eine orangerote Rose. Er saß bereits aufrecht in den Kissen und lächelte mich an. Sein Gesicht, gestern noch müde und grau, wie abgemagert, zeigte wieder volle, glatte Konturen. Er sah ausgeruht und entspannt aus. Ich sagte:
    »So gefällst du mir besser.«
    »Ich habe gut geschlafen.«
    Ich setzte mich zu ihm aufs Bett.
    »Wir haben so allerhand erlebt, was?«
    Er wirkte etwas betreten.
    »Ich weiß nicht. Du sitzt da, als ob das alles gar nichts gewesen wäre.«
    »Wie soll ich denn sonst da sitzen? Ist ja nun vorbei!«
    »Mir steckt es aber noch verdammt in den Knochen«, sagte er.
    »Hast du noch Fieber?«
    »Etwas erhöhte Temperatur. Nicht der Rede wert.« Ich hielt ihm die Rose hin.
    » Sie duftet gut«, sagte er glücklich.
    »Aromatherapie! «, erwiderte ich lachend.
    Die Schwester hatte gesehen, dass ich mit einer Blume gekommen war, und brachte eine Vase. Als sie gegangen war, erzählte ich Kazuo, dass ich noch einen Tauchgang vorhätte, um die Seegraswiesen zu filmen. Sein Lächeln verschwand.
    »Du willst gleich wieder tauchen?«
    » Lorenzo bringt mich zu den richtigen Stellen und passt auf mich auf. Zufrieden?«
    Er seufzte.
    »Sind deine Flossen in Ordnung?«
    »Nein. Voller Risse und Löcher. Deswegen schwimme ich nur mit Rettungsgürtel.«
    Er lachte nicht.
    »Es tut mir leid«, sagte ich. »Das war kein guter Witz.«
    Dass er sich Sorgen machte, war im Augenblick nicht zu vermeiden. Ich zeigte ihm meine Unterwasserkamera, ein neues Modell, leicht und handlich, mit einer sehr leistungsstarken Beleuchtungseinrichtung.
    »Die Sicht unter Wasser ist begrenzt, das Licht nimmt sehr schnell ab,

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