Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Muschelseide

Muschelseide

Titel: Muschelseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
Vom Netzwerk:
lange und vergeblich die Klippen ab. Nichts erkannte ich wieder. Die Wahrheit war wohl, dass ich in meiner Verwirrung nicht fähig gewesen war, mir die richtige Stelle zu merken. Nach einer Weile gab ich es auf, tauchte empor und schwamm auf das Boot zu. Ich hatte genug Filmmaterial und fand, dass ich Lorenzo schon viel zu lange beansprucht hatte. Als ich mich bei ihm deswegen entschuldigte, erwiderte er, ich solle mir keine Gedanken machen.
    »Ich tue das alles für Nona. Wenn sie glücklich ist, bin ich auch glücklich.«
    Ich fuhr zum Hotel, duschte ausgiebig, wusch und föhnte mein Haar. Danach suchte ich das Restaurant auf. Ich bestellte eine Pizza und einen richtig guten Salat, mit schwarzen Oliven und getrockneten Tomaten. Ich aß mit Appetit und ohne Hast. Nach einem doppelten Espresso fühlte ich mich wieder in Hochform und machte mich auf dem Weg zum Krankenhaus.
    Kazuo saß am offenen Fenster, mit zwei Kissen im Rücken, und hatte den Laptop vor sich. Als ich ins Zimmer trat, nahm sein Gesicht einen erleichterten Ausdruck an.
    »Wie geht’s dir?«, fragte ich munter.
    »Danke. Seit einer Sekunde sogar ausgezeichnet.«
    Ich setzte mich zu ihm.
    »Hast du dir Sorgen gemacht?«
    »Dein Job ist bescheuert«, sagte er.
    »Ach was. In Valletta gibt es Apnoeseminare. Ich werde dich anmelden.«
    »Muss ich in Zukunft, nachdem ich mit knapper Not entkommen bin, wie ein Fisch unter Fischen leben?«
    »Du wirst dieses Leben bald nicht mehr missen wollen.« Er verdrehte die Augen.
    »Inzwischen hat man mir statt Flossen eine Krücke gebracht.«
    »Das ist immerhin ein Anfang. Und dein Bein? Tut es weniger weh?«
    »Es zieht noch.«
    »Wie lange will dich Dr. Sacco noch dabehalten?«
    » Er meint, dass ich schon morgen raus kann. Übrigens muss ich das Hotel wechseln. Ab Sonntag haben neue Gäste gebucht, und im Phönizia ist nichts mehr frei.«
    »Tja«, sagte ich gut gelaunt, »das ist wieder einmal etwas, woran ich schon vorher gedacht habe. Du hast bereits eine Unterkunft. «
    »Oh«, rief er erfreut, »in welchem Hotel denn?«
    »Bei mir zu Hause«, sagte ich. »Nicht in meinem Zimmer zwar, das wäre zu viel für Ricardo. Ein Stockwerk höher. Du hast allerdings nur eine Dusche. Macht dir das was aus?«
    Er setzte sich auf und fiel sogleich lachend und hustend wieder zurück. Er hatte seine Schmerzen vergessen.
    »Beata, du bist wirklich unglaublich! Was sagt denn dein Vater dazu?«
    »Stell dir vor, der freut sich sogar. Sein Leben ist gegenwärtig sehr langweilig.«
    »Weiß er, wie wir zueinander stehen?«
    »Wir haben darüber nicht geredet. Aber er weiß es.« Kazuo tastete nach dem Wasserglas.
    »Ach, das ist sehr japanisch.«
    »Übrigens will er wissen, ob du Schach spielst.«
    Kazuo trank einen Schluck.
    » Ein verstorbener Onkel von mir trug den Titel Lehrer des Geisteskulturspiels ›Go‹. Das ist auch so eine Art Schach. Als ich ein Junge war, hat er mir einiges beigebracht. Aber ich bin nicht sehr begabt, fürchte ich.«
    »Dann gib dir mal Mühe.«
    »Oh, ich lasse ihn gern gewinnen.«
    »Bloß nicht! Ricardo schätzt scharfe Gegner. Sonst hat das Spiel ja keine Würze für ihn.«
    Kazuo lag eine Weile still da, holte tief Atem und sagte: »Ich werde ihm natürlich Kostgeld zahlen.«
    »Ricardo war vierzig Jahre lang Bankier. Über Geld redet er nur unter vier Augen.«
    »Ach so. Und wie steht’s mit Francesca?«
    »Du wirst sie mögen, denke ich. Aber auch, wenn du sie nicht mögen solltest, ist sie eine interessante Frau.«
    »Dann wird es also etwas ... schwierig sein?«
    »Am Anfang vielleicht. Bei ihr weiß man das nie im Voraus. Du musst sie einfach nehmen, wie sie ist.«
    Kazuo hustete noch einmal.
    »Danke für die Warnung. Was mache ich, wenn sie mich vor die Tür setzt?«
    »Das wird sie nicht tun. Gefällst du ihr nicht, verschwindet sie in ihrem Atelier. Aber sie wird nichts gegen dich haben, da bin ich ganz sicher.«
    »Wie kannst du darin so sicher sein?«
    »Sie ist scharfsinniger als ich und war auch viel früher selbstständig. Sie wurde auch nicht so verwöhnt. Sie ist so herrlich unangepasst. Malen ist für sie ein Ausdruck von Willensstärke, ein Akt des Vorwärtskommens.«
    Er nickte vor sich hin.
    »Ich glaube«, sagte er langsam »dass ich sie mögen werde.«
Ihm konnte nichts Peinliches geschehen, er würde auch nie
versuchen, andere vor den Kopf zu stoßen, denn er besaß jene
Höflichkeit, die Nachsicht und Geduld gewähren. Mein Vater
war ganz anders, viel

Weitere Kostenlose Bücher