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Muschelseide

Muschelseide

Titel: Muschelseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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und der Brechungsindex des Wassers ist hoch. Dieses Weitwinkelobjektiv ist besonders lichtstark.«
    Während wir uns über die Kamera unterhielten, kam Dr. Sacco, der Chirurg, ein rundlicher Mann mit fröhlichen, warmen Augen. Er löste Kazuos Verband, um die Wunden zu untersuchen. Seine Hände waren leicht, sicher und flink. Kazuos Bein war blau verfärbt, und der Anblick der schwarzen Fadenstiche verursachte mir fast Übelkeit. Ich fand, dass das Bein schrecklich aussah. Doch der Arzt war zufrieden.
    »Bis jetzt ist alles ganz normal. Die Wunden sind sauber. Ich schlage vor, dass wir noch ein oder zwei Tage warten. Dann können Sie das Krankenhaus verlassen. Die Schwester wird Ihnen zeigen, wie der Verband zu erneuern ist. Was Sie natürlich noch brauchen, ist Ruhe. Aber jeden Tag etwas gehen, ja? Damit die Muskeln trainiert werden. Und in zwei Wochen können Sie die Fäden entfernen lassen.«
    Als der Arzt gegangen war, sagte Kazuo:
    »Zwei Wochen Ruhe, wie stellt er sich das vor? Na schön, ich kann meine Berichte schreiben und sie an die Redaktion mailen. Und ich werde im ›Phönizia‹ anrufen, damit ich mein Zimmer behalten kann.«
    Doch ich sagte:
    »Warte noch, vielleicht finde ich eine andere Lösung.«
    »Ich will dir nicht zur Last fallen«, sagte er. »Nach allem,
    was geschehen ist, wäre mir das wirklich nicht recht.« Ich
    spielte mit seiner Hand.
    »Nona hat gesagt, wer einem Menschen das Leben rettet, übernimmt eine Verantwortung.«
    »Ach, hat sie das gesagt?«
    »Ich will hören, wie du darüber denkst.«
    Er sah mich an, mit einem langen Blick.
    »Im Grunde mag ich das gern, wenn eine Frau die Verantwortung übernimmt. Mariko konnte das nicht, ich musste alles für sie entscheiden. Ich fand das sehr alltäglich und langweilig.«
    »Bei mir wirst du kaum die Wahl haben.«
    »Du ahnst nicht«, sagte er, »wie mir das gefällt.«
    Danach verließ ich ihn. Draußen, vor dem Wagen, schaltete ich mein Handy an. Mir schwebte seit vergangenem Abend eine Idee vor, aber ich musste zunächst mit meinem Vater darüber sprechen. Sein Wohlwollen war so sehr durch seine Laune bestimmt. Und diese wiederum hing von seiner Verdauung ab. Oder, noch trivialer, von den Aktienkursen und Dividenden.
    Ricardo freute sich, mich zu hören.
    »Schön, dass du anrufst, Beata. Nun, hast du Steckmuscheln gefunden?«
    »Eine ganze Menge sogar. Und sehr große. Ich muss noch tauchen, um Aufnahmen zu machen.«
    »Wann bist du wieder da? Am Freitag?«
    »Es wird wohl gegen Abend werden. Was macht Francesca? «
    »Ich sehe sie kaum. Wenn sie arbeitet, könnte sie ebenso gut auf dem Mond leben.«
    Ich antwortete zerstreut. Ricardos Sinn für Anstand, Intimität und Verschwiegenheit waren für meinen Geschmack übertrieben groß. Hätte ich gelegentlich mit ihm über Privates gesprochen, wäre es mir gewiss leichter gefallen, mein Anliegen vorzubringen. Du bist ja schizophren, dachte ich, er spürt doch genau, dass du ihm etwas zu sagen hast. Ich gab mir innerlich einen Ruck.
    » Ricardo, es tut mir leid, dich zu belästigen, aber ich muss dich etwas fragen. Ich habe mit einem Freund getaucht. Wir hatten einen Unfall. Ich habe ihn rechtzeitig retten können.«
    »Hast du dich dabei in Gefahr gebracht?«
    »Eigentlich nicht. Er war schon bewusstlos.«
    Ricardo konnte sich ja denken, dass es eine furchtbar aufregende Sache gewesen war. Trotzdem – oder vielleicht gerade deswegen – verlangte er keine Einzelheiten zu hören. Seine Stimme klang unentwegt ruhig.
    »So. Und wie geht es ihm jetzt?«
    »Er liegt mit Schnittwunden im Craig General Hospital. Danach braucht er Ruhe, bis die Verletzungen geheilt sind. Ich werde einen Termin bei Dr. Lewis vereinbaren, damit er ihm die Fäden entfernt.«
    »Ich sehe ihn morgen beim Tennis«, sagte Ricardo. »Soll ich das für dich erledigen?«
    »Ja, danke. Das wäre nett.«
    Ich ließ eine halbe Sekunde verstreichen, und dann sprach ich es abrupt aus.
    »Wäre es möglich, dass mein Bekannter für diese Zeit bei uns statt im Hotel wohnt? Das Gästezimmer ist ja frei, und er hätte sogar ein Badezimmer. Was meinst du? Oder möchtest du lieber, dass ich ihm eine Unterkunft in der Stadt suche?«
    Ich konnte spüren, wie Ricardo meine Worte erwog, die Absicht dahinter zu erkunden versuchte. Dann sagte er gleichmütig:
    »Erzähl von ihm. «
    Ich hielt es für das Beste, wenn ich mit dem Herkömmlichen anfing.
    » Er ist Japaner und leitet ein Reisemagazin. Ich lernte ihn im Flugzeug nach Rom

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