Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)
heran. Schließlich war zu erkennen, dass es sich um ein Artefakt von eindrucksvollen Ausmaßen handelte, das lediglich vor dem Hintergrund der riesigen Gaswelt so verloren wirkte.
Rogers war wieder stehengeblieben und sah mit verschlossenem Gesichtsausdruck zur Frontscheibe hinaus. Kurtz zündete für einige Sekunden die Bremsraketen, um das Rendezvous zu verzögern. Meter für Meter schob die Endeavour sich an das fremde Objekt heran. Es war kein Schiff, aber auch keine herkömmliche Station. Wie eine kilometerlange, in Silberfolie gepackte Zigarrenschachtel schwebte das Gebilde in einem hohen Orbit, einige tausend Kilometer über den feinstofflichen Stratosphärenwirbeln des Planeten. Rogers hob seinen persönlichen Handkommunikator zum Mund und öffnete einen Kanal.
»An alle Mannschaften«, sagte er in hartem Kommandeurston. »Fertigmachen zum Entern! Falls Sie auf Widerstand stoßen sollten, wiederhole ich ausdrücklich: Sie haben Feuerbefehl!“
Er ließ den Kanal zuschnappen und hakte den Kommunikator wieder an die Lasche in seiner Brusttasche.
»Kein Pardon«, brummte er noch vor sich hin. »Wir müssen ein Exempel statuieren.«
Kurtz ließ die Endeavour langsam beidrehen. Sie schob sich längsseits neben das Objekt. Es war jetzt so dicht heran, dass man sehen konnte, dass es wesentlich größer als der Explorer war. Die Schmalseite war zwanzig Decks hoch und anderthalb Kilometer lang. Die ferne, schwache Sonne dieses abgelegenen Systems malte einen rötlichen Widerschein auf die matten Titanstahlflächen. Es waren keinerlei Aktivitäten auszumachen. Dennoch erhöhte Kurtz vorsichtshalber die Abschirmung seines Schiffes auf 120 Prozent.
»Sehr gut, Colonel«, sagte Rogers.
Zwei Adjutanten, die im rückwärtigen Bereich der Brücke das Manöver verfolgt hatten, erhoben sich und signalisierten Rogers ihre Bereitschaft, seine Anweisungen entgegen zu nehmen.
»Glauben Sie«, räusperte sich der eine von ihnen, »dass wir mit Feuer rechnen müssen?«
Der Sieger von Persephone verzog das Gesicht zu einer verächtlichen Grimasse. »Hier draußen nicht«, meinte er kategorisch. »Diese Station verfügt über keine schweren Waffen. Sie werden uns ins Innere locken. Dort müssen wir auf Widerstand gefasst sein.«
Der Adjutant salutierte und marschierte zackig davon. Die gravimetrischen Türen schlossen sich lautlos hinter ihm, als er zum Mannschaftsdeck stapfte. Rogers sah ihm zufrieden nach.
»Sir«, meldete sich Colonel Kurtz vom Hauptbedienplatz. »Wir sind jetzt längsseits. Wie dicht soll ich herangehen?«
Rogers kehrte aus seinen Überlegungen in die Wirklichkeit zurück. Er blieb hinter Kurtz stehen, stützte sich auf die Lehne seines gravimetrischen Sessels und sah hinaus. Auf der Backbordseite dehnte sich die kilometerlange, silberfarbene Wand aus gehärtetem Titanstahl.
»Keine feindlichen Aktivitäten?«, fragte er ungläubig.
Kurtz warf einen flüchtigen Blick über seine Instrumente. »Nichts«, sagte er. »Sie verhalten sich vollkommen friedlich. Totale Funkstille.«
»Hm«, machte Rogers. Er nahm seine Wanderung wieder auf. Wenigstens ein bisschen Abwehrfeuer hatte er schon erwartet.
»Nun gut«, sagte er zu dem erfahrensten Piloten, der ihm in seiner Flotte verblieben war. »Dann gehen Sie so nahe ran wie möglich.«
Er wechselte zur Backbordseite und sah schweigend zu, wie die stählerne Wand an sie herangeschoben wurde. Sie glich in dieser Perspektive einem auf der Seite liegenden Wolkenkratzer. Das ausrangierte Segment war vollkommen tot. Weder blinkten die Positionslichter, noch war Licht in den polarisierten Scheiben der einzelnen Decks zu sehen. Die automatische Nachführung der Antennen und Außensensoren war abgeschaltet oder defekt. In seiner Neigung, eher an den Bankrott als an die Gerissenheit seiner Gegner zu glauben, ging der General von letzterem aus. Rogers öffnete ein letztes Mal einen Kanal.
»Alle Einheiten klar zum Stürmen«, sagte er. »Sowie die Distanz zum Entern unterschritten ist, werden Sie selbständig vorrücken und die Station übernehmen.«
Er warf einen Blick voller Genugtuung zu Kurtz hinüber, aber der war über seine Instrumente gebeugt und verfolgte die letzte Phase des Rendezvous’. In Zeitlupe schob die Endeavour sich die letzten Meter an die Station heran. Dann flammte rotes Licht durch die Brücke. Die Backbordschleusenkammer war freigegeben. Die Schiffsautomatik setzte selbsttätig Alarmstufe I. Das Schiff war im Gefecht.
An der großen
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