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Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Titel: Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Falke
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in Ionien und auf Sizilien. Die Proselytenmacherei der arabischen Reiterheere. Die deutsche Ostkolonisation und die spanischen Pflanzstädte in der Neuen Welt. Und die Geschichte der Kolonisation ist die Geschichte der Kriege. Die Perserkriege hätten nicht stattgefunden, wenn die kleinasiatischen Kolonien Griechenlands nicht existiert hätten. Moslems und Christen haben sich jahrhundertelang nicht im Geiste, sondern in Raub- und Kreuzzügen abgeglichen. Römer und Briten errichteten ihre Weltreiche, indem sie strategisch notwendige Provinzen erwarben, und deutsche Divisionen kämpften um Lebensraum. Es war der ältere Ash, der es wie folgt formulierte: »Wie der Einzelne nicht in seinen vier Wänden sitzen bleiben kann, so auch die Völker nicht in ihren angestammten Gebieten. Die Menschen sind Nomaden. Noch die häuslichsten und sesshaftesten von ihnen, die wie die Engländer den Komfort zu lieben scheinen, können diesen nicht erhalten, ohne ihren Nachbarn zur Last zu fallen oder auf der anderen Seite des Globus Waffengänge anzuzetteln.« Freilich gibt es Unterschiede. Den einen genügte eine ausgeklügelte Abfolge von Felsen in den Weltmeeren, auf denen sie ihre Stützpunkte und Flugzeugträger errichteten, während andere Kontinente unterwerfen mussten, die sie eigentlich nur als Aufmarschglacis benötigten. Doch immer geht es darum, sich eine Basis zu schaffen und zugleich den Gegner seines Hinterlandes zu berauben. Als die Griechen vor Troia landeten, verwüsteten sie zunächst das Umland und schleiften Städte bis hinunter nach Ephesus und Smyrna. Und Alexander gründete Dutzende von Ansiedlungen, die sein Reich wie ein Gangliensystem durchzogen, Garnisonen und Knotenpunkte, Machtzentren, Handels- und Verkehrsplätze und Relaisstationen. Kriegsgeschichte ist Wirtschaftsgeschichte, und jede Provinz, die erobert oder verwüstet wird, nur ein Äquivalent für ein bestimmtes Kontingent an Rohstoffen, Gütern oder Arbeitskräften. Man kämpft um Kohlegruben und Uranlager, deren Besitz es ermöglicht, den Kampf fortzusetzen. Man schlachtet einander ab um einer Brücke willen, einer Bahnlinie, um des Besitzes eines Hafens. Man verblutet sich für einen Punkt auf einer Karte, der an sich vollkommen wertlos ist, aber als Befehlsstand für das folgende Scharmützel benötigt wird. Der Krieg ist ein tausendarmiges und -beiniges Reptil, das sich mit seinen gepanzerten Gliedern übers Land schiebt, das alles zerstört, was es berührt, und das statt Fußstapfen eine Spur von Ruinen zurücklässt; es selbst jedoch hat kein Ziel. Mit tausend stählernen Füßen dreht es sich über der Mitleidenschaft von Weltteilen. Doch jede seiner Bewegungen geschieht im Zeichen der Befreiung, der Inbesitznahme, der Wohltaten der Zivilisation.
     
    *
     
    Am nächsten Morgen wurde ein neuer Marschbefehl ausgegeben. Die Gänge und Decks der MARQUIS DE LAPLACE verwandelten sich in das Innere eines Bienenstocks, dessen Volk sich zum Schwärmen rüstet. Schotte wurden geschlossen, Roboter und Drohnen in ihren Verankerungen verstaut und gesichert, Generatoren überprüft, Treibstofftanks umgepumpt und Außenhüllen kontrolliert. In den Hecksegmenten wurden die Hauptreaktoren angeworfen, die fast ein Jahr lang stillgelegen hatten. Obwohl die Feldgeneratoren die Erschütterungen kompensierten, spürte man das tiefe Dröhnen der gewaltigen Reaktorblocks doch durch das ganze Schiff. Der Vorgang dauerte mehrere Stunden. Die Wissenschaftlichen Abteilungen wurden geschlossen, medizinische Einheiten in Alarmbereitschaft versetzt, die Wachmannschaften in verdoppelte Schichten eingeteilt. Das riesige Schiff erwachte zum Leben.  Auf den langen Fluren musste man aufpassen, nicht von Sanitätsstaffeln oder Reparaturdroiden überrannt zu werden, und auf allen Kanälen prasselten Durchsagen und Anweisungen auf einen ein. Die MARQUIS DE LAPLACE führte mehrere kleinere Manöver aus, um sich auf das große vorzubereiten. Immer wenn man gerade an einem der Fenster vorbeikam, deren Polarisation zunehmend verstärkt wurde, bis sie beinahe erblindeten, sah man ferne Galaxien durch das Sichtfeld rollen und konnte seine Rückschlüsse auf die komplizierten dreidimensionalen Drehbewegungen ziehen, mit denen das Schiff sich in eine neue Position wälzte und anhand weit entfernter Strahlungsquellen ausrichtete.
    »Ich habe kein gutes Gefühl«, sagte Laertes, mit dem ich, kurz bevor alle Bars geschlossen wurden, auf einen letzten Drink zusammenkam. »Wir begeben uns

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