Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)
unseren sterblichen Sinnen mitgeteilt hätte. Wir hätten einige Jahrtausende ausharren müssen, um etwas zu sehen, was sich als Vorgang hätte beschreiben lassen. Dennoch schien es, als ob unablässig Staubwolken und Plasmaeruptionen aus einem verborgenen Abgrund aufstiegen. Schlote von der Höhe der Marsbahn wurden emporgetrieben. Bukette vom Halbmesser der Beteigeuze entfalteten sich. Zimtfarbene und rostrote, im Licht embryonaler Sterne glühende Wolken breiteten sich aus. Ein gefrorenes Feuerwerk. Flammensäulen in Dimensionen, die einen Schöpfer eingeschüchtert hätten. Es war eine kosmische Brutkammer, in der nicht nur einzelne Sterne entfacht wurden, sondern eine ganze Galaxie im Werden war.
Tatsächlich war die erste Aktivität, die großen Saugrüssel auszufahren, deren Ende kilometerweite Trichter aufspreizten, und mit ihnen das hochionisierte Plasma aus dem Dunstkreis der riesigen Staubfelder zu melken. Obwohl die protostellare Wolke wie ein Staubteufel aussah, der sich braun und struppig in der afrikanischen Steppe dreht, war sie unendlich viel weniger dicht. Von den Gerinnungspunkten, wo die Materie sich zu Sternen zusammenzog, abgesehen, war die Wolke sehr viel dünner als die äußere Atmosphäre eines erdähnlichen Planeten. In ihrem Inneren herrschten kaum andere Bedingungen als im interstellaren Vakuum. Dennoch überstieg die Massenkonzentration diejenige der furchtbaren intergalaktischen Leere, der wir entronnen waren, um Faktoren, die hoch genug waren, dass wir sie anzapfen konnten. Selbst in den Randgebieten des Nebels, in denen wir gestrandet waren, erfüllte noch genügend freier Wasserstoff die Dunkelheit, dass wir, bei Kleiner Fahrt und aufgesperrten Schnäbeln, Tonne für Tonne aus dem Nichts filtern konnten. Unsere größte Sorge, das Zuendegehen des Treibstoffs, waren wir los. Zwar würde es Wochen dauern, bis die Plasmatanks der MARQUIS DE LAPLACE wieder bis zum Rande gefüllt sein würden, aber wir hatten dem Raubbau an unseren Ressourcen Einhalt geboten. Was die schwereren Elemente betraf, die wir nur in sehr begrenztem Umfang in unseren Reaktoren ausbrüten konnten, würde sich das weitere finden.
Vorderhand gab es dabei wenig zu tun. Schon unmittelbar nach Ende der Warpphase hatte ich Rogers angesprochen und ihn nach unseren Aufgaben befragt.
»Warten Sie’s ab«, hatte er gesagt, wobei er kaum stehengeblieben war, sondern im Tross seiner Adjutanten vorbeilief.
»Ich würde mich gerne nützlich machen«, rief ich ihm nach.
»Ihre Stunde wird kommen«, gab er zurück und war bereits verschwunden.
Die ENTHYMESIS-Flotte, für die ich als ranghöchster Kommandant zuständig war, hatte das Warpmanöver unbeschadet überstanden. Das festzustellen, kostete mich keine Stunde. Ich sprach mit den zuständigen Technikern einige Reparaturen durch, die routinemäßig anstanden, und erhöhte dann die Priorität meiner Anfrage um Plasmatreibstoff. Zwar lag kein Marschbefehl vor und es war nicht zu sehen, wann und ob die Explorer überhaupt wieder eingesetzt werden würden, aber im Kleingedruckten meiner Dienstvorschrift fand ich den Satz, der verantwortliche Kommandant habe sich darum zu kümmern, dass die Einsatzbereitschaft der ENTHYMESIS-Flotte jederzeit gewährleistet sei. Bei Tanks, die nur noch zu 20 Prozent befüllt waren, war die Reichweite der Explorer beschränkt. Unter Einsatzbereitschaft stellte ich mir etwas anderes vor.
Am Abend versuchte ich mit Jennifer darüber zu sprechen.
»Ich verstehe dich nicht«, sagte sie und schüttelte den Kopf. »Es gibt soviele Möglichkeiten, wie du dich nützlich machen könntest!«
Ich winkte ab.
»Das ist nicht mehr der Frank Norton, den ich einmal geheiratet habe, weil er der neugierigste und entschlossenste Wissenschaftsoffizier der Union war.«
»Du verstehst es wirklich nicht«, gab ich zurück. »Ich will mich nicht irgendwie nützlich machen ...«
Sie wollte meine Hand nehmen, aber ich zog sie zurück.
»Ich begreife nicht, was dich quält«, sagte sie leise.
»Ich will nicht irgendeine Beschäftigung«, meinte ich. »Ich brauche eine Aufgabe.«
Sie holte tief Luft und rieb sich die Augen mit den geballten Fäusten. Unwillkürlich fragte ich mich, ob sie tagsüber, wenn sie mir Reynolds an der Sondenprogrammierung tüftelte, auch so wenig Geduld hatte.
»Du weißt ganz genau, was der Sinn dieser Mission ist«, sagte sie müde. »Und es gibt an Bord dieses Schiffes unendlich viel zu tun, wo du mit anpacken könntest.« Sie
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