Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)
zusammenzunehmen.
»In Ordnung«, stammelte ich und erhob mich unsicher. »Dann wünsche ich Ihnen einen guten Flug.«
Sie salutierte. Laertes war ebenfalls aufgestanden und beeilte sich, mich hinauszubringen. Vor dem gravimetrischen Lift, der uns 80 Decks nach unten bringen würde, wandte ich mich trotzdem noch einmal um. »Wann gedenken Sie denn wieder zu öffnen?«
»Sowie die MARQUIS DE LAPLACE wieder auf einem stabilen Orbit liegt«, antwortete sie kühl.
»Ist es gestattet, sich dann wieder hier einzufinden?«, fragte ich.
»Selbstverständlich«, gab sie zurück. Und indem sie ihr professionellstes Strahlen anknipste, fügte sie noch hinzu: »Ich freue mich, Sie beide bald wieder hier begrüßen zu dürfen, Commander.«
Ich nickte und trat neben Laertes in den Aufzug. Dass er während der Fahrt tief ins Innere des riesigen Schiffes meine Entgleisung mit keinem Wort kommentierte, rechnete ich ihm hoch an. Dann strandeten wir auf dem Deck, das die Hauptkommandoebene beherbergte. Die Gänge lagen im orangerot pulsenden Licht der Alarmleuchten. Es sah tatsächlich aus, als befinde sich das Schiff im Gefecht. Überall dröhnten Generatoren auf, rasteten schwere metallische Türen ein, wurden Sektoren abgeriegelt und beeilten sich Uniformierte, noch rechtzeitig in ihre Einsatzgebiete zu kommen. Die einzelnen Segmente des Schiffes wurden hermetisch voneinander abgeschlossen. Das große Generatorfeld, das den ganzen Titancorpus wie ein riesiger Cocon umgab, wurde in seiner Leistung so erhöht, dass es als bläuliche spindelförmige Corona sichtbar wurde. Laertes hatte erklärt, er werde den Sprung auf seiner privaten Kabine verbringen. Ich begab mich dagegen auf die Brücke, wo die gesamte Führung der MARQUIS DE LAPLACE und ein Großteil der Fliegenden Crew bereits anwesend war. Am obersten Befehlsstand war General Rogers, umgeben von seinen Adjutanten, gerade damit beschäftigt, ein letztes Mal die Instrumente zu prüfen und den Status des Schiffes abzufragen.
»Wo bleibst du denn?«, zischte Jennifer, als ich neben ihr Platz nahm. Sie würdigte mich keines Blickes und verweigerte mir, als sie meiner Whiskyfahne gewahr wurde, den Kuss. »Puh«, stöhnte sie und fächelte sich theatralisch frische Luft zu.
Ich streckte behäbig die Beine aus, vergewisserte mich, dass meine GraviGurte aktiviert waren und widmete dann meine ganze Aufmerksamkeit dem spannenden Geschehen auf der Brücke.
Eine Stunde später flogen wir in den Nebel ein, der seit Jahrhunderten als M 42 in den Sternkarten geführt wurde und der schon den alten Assyrern bekannt gewesen war. Nach einem Sprung über mehrere hunderttausend Lichtjahre verließ die MARQUIS DE LAPLACE den Warpkorridor, den ihre Generatoren geöffnet hatten, und kehrte in den realen Raum zurück. Jenseits der Panoramascheiben wurden Sternzusammenballungen und riesige protostellare Staub- und Gaswolken sichtbar. Der blau fluoreszierende Cocon, der das Schiff in einer langgezogenen Spindel umgeben hatte, wurde unsichtbar, als die Abschirmung auf die gewöhnlichen hundert Prozent zurückgenommen wurde. Energieschnüre wanden ihre Tentakeln um die Aufbauten des Schiffes, zerflossen aber allmählich, als die ungeheure Kraftentfaltung, die dem Titanstahlleib abgefordert worden war, verebbte. Die Warpspulen, die unvorstellbare Energien umgesetzt hatten, wurden heruntergefahren. Allerdings brannten die Triebwerke noch, als das Schiff auf seiner gewohnten Reisegeschwindigkeit in den Nebel einflog.
Strukturen von den Ausdehnungen vieler Sonnensysteme zogen in einiger Entfernung vorbei. Wie Goldstaub glühende protostellare Wolken, die wie die lautlosen Eruptionen eines Vulkans in der Schwerelosigkeit aufstiegen und in denen Dutzende Sonnen ausgebrütet wurden. Alle paar Jahre flammte wieder der Ionenblitz auf, mit dem ein neuer Stern geboren wurde. Das war wahrhaftig Chaos; das Brodeln und Kochen vom Anbeginn der Welt, als der Kosmos einem schlammigen Geysir glich, der blubbernd Sternhaufen und Galaxien auswarf.
Wir waren viel zu weit entfernt und bewegten uns bei konventionellem Antrieb viel zu langsam, als dass wir eine Verschiebung der Perspektive hätten herbeiführen können. Die Strukturen verharrten unverändert auf ihrer Position. Trotzdem trat ihr räumlicher Charakter gut zutage. Es waren Fontänen und Stränge von nichtmassiver, durchscheinender Materie. Natürlich vollzogen sich auch die Bewegungen in dieser Sternenküche viel zu langsam, als dass sie sich
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