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Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Titel: Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Falke
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folgenden Wochen ausbrachten, waren kleine Stützpunkte von jeweils einigen hundert Mann, die auf abgelegenen Monden stationiert wurden. Diese hatten sich bei der Spektralanalyse als besonders interessant erwiesen, weil sie reich an seltenen Metallen waren, an Kadmium, Zink, Nickel und Germanium, aber auch an Silber, Gold und Titan. Diese beiden Kolonien mussten ohne ein Segment der MARQUIS DE LAPLACE auskommen, und wir konnten ihnen auch lediglich ein Großraumshuttle mit Platz für etwa fünfzig Personen und einer Reichweite von einhundert Parsec zur Verfügung stellen. Alle Hoffnungen ruhten auch hier auf Reynolds Sondenprogramm, das hoffentlich in absehbarer Zeit die Transportkapazitäten zu verbessern half. Bis dahin mussten die Einheiten ausharren. Und uns kam wieder die ungeheure Weite und Verlassenheit der Räume zu Bewusstsein, in die wir uns hinausgewagt hatten. Die MARQUIS DE LAPLACE hatte seit ihrer Flucht aus dem Neptun-Orbit mehrere Millionen Lichtjahre zurückgelegt, aber für kleine Einheiten kam eine Verteilung über einen Radius von zwei oder drei Lichtjahren der Verurteilung zu Einzelhaft gleich.
     
     
    Der Chronist
     
    Die Geschichte ist eine Geschichte der Wiederholungen und der Umschwünge. Nichts geschieht auf einmal; stets gibt es eine second chance . Und es kommt alles darauf an, wie sie genutzt wird. Eine gute Revanche kann jeden Misserfolg ausbügeln, während ein Scheitern hier jeden anfänglichen Triumph zunichte machen kann. Und öfter als sonst im Weltgeschehen ist es hier, bei dem alles entscheidenden Verhältnis von erstem und zweitem Mal, die Politik, sind es einzelne Männer, die die Waagschale auf der richtigen Seite herunterdrücken. Marathon war ein Wunder. Aber die Wiederholung dieses Wunders, zehn Jahre später bei Salamis, war ein noch viel größeres Wunder. Es wurde ermöglicht durch die Weitsicht und die Beharrlichkeit eines einzelnen Mannes: Themistokles. Auch dass Alexander bei Gaugamela das Wunder von Issos zu reproduzieren in der Lage war, gehört in diese Kategorie. Die Wiederholung, die naturgesetzliche Verdoppelung eines Geschehens, das für sich genommen und als Einzelfall kaum glaubhaft gewesen war. Auf der anderen Seite gibt es die großen Umschwünge, zum Guten wie zum Bösen. Friedrich stand mit dem Rücken zur Wand, als Katharina die Koalition wechselte. Preußen lag am Boden, als Stein und Hardenberg ihre Reformen ins Werk setzten; zehn Jahre später weilte Napoleon auf St. Helena und Preußen und Russen schnitten auf dem Kongress die europäische Karte nach ihrem Gusto zurecht. Und noch einmal lag Deutschland am Boden. Was darauf folgte, lässt sich nur mit der Verbissenheit erklären, die die Schwester der second chance ist. Noch einmal würde nicht verhandelt werden. Noch einmal durfte nicht klein beigegeben werden. Die zweite Katastrophe ist stets die größere, denn sie ist die endgültige. Sie ist irreversibel. Daher kommt alles darauf an, aus der ersten die rechten Konsequenzen zu ziehen. Die Kräfte richtig einzuschätzen, oder sich neue zu schaffen, neue Schwerter zu schmieden, in deren Stahl die Lehren aus dem Desaster eingehämmert sein müssen. Guderian wäre beinahe ein deutscher Themistokles geworden. Aus dem Nichts schuf er die deutsche Panzerwaffe, die der Welt ein Schauspiel bot, das sie bis dahin nicht gesehen hatte. Aber auch er konnte die Weite des russischen Raumes nicht revidieren. Und so ging man ein zweites Mal in den Untergang. Napoleons zweite Herrschaft dauerte einhundert Tage, und Waterloo war nicht geeignet, Leipzig ungeschehen zu machen. Beim zweiten Mal, schreibt der ältere Ash in Vorahnung der sinesischen Katastrophe, die ihn selbst das Leben kosten sollte, wird alles entweder ganz anders – oder noch viel schlimmer.
     
    Eschata VI bis X – das war das größte und komplexeste Vorhaben im Rahmen des Kolonisierungsprogramms. Die Region Eschata ultima, wie wir sie nannten, bestand aus einem Quintupel-System blutjunger Sterne. Die jüngsten von ihnen hatten vermutlich erst vor wenigen tausend Jahren gezündet, und sie umkreisten einander im Abstand von nur einigen Millionen Kilometern. Der Raum zwischen ihnen hatte sich noch nicht vollständig gelichtet. Wie Schleim, Blut und Fruchtwasser an einem Neugeborenen hingen noch die Überreste des protostellaren Nebels zwischen den Fünfen. Sie würden in den kommenden Jahrtausenden mit der prachtvollen Langsamkeit, die allem kosmischen Geschehen eignete, von den

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